Am Ufer des Stromes da wandelten zwei

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Am Ufer des Stromes da wandelten zwei
Sie blickten zum Monde und seufzten dabei
Da plötzlich die Dame, die reizende, spricht:
0 pflücke mir dieses Vergißmeinnicht!

Rasch springt der Herr zu des Stromes Strand
Schon hält er das Blümchen in seiner Hand
Doch wehe, er gleitet, da liegt er im Strom
Mitsamt dem Blümchen, der Galanthomme

Die Dame mit einem entsetzlichen Schrei,
Statt in Ohnmacht zu fallen, springt rasch herbei
Fast war er versunken, zum Glück jedoch
An einem Knopfe erhascht sie ihn noch

Schon glaubt sich gerettet der junge Mann
Der selbstverständlich nicht schwimmen kann
Da reißt — aufs neue ertönt ein Schrei!
Der wollene Faden des Knopfes entzwei

Der Heißgeliebte im Strome verschwand
Sie aber hielt den Knopf in der Hand
Indessen besann sich die Dame nicht lang
Und selber ins tosende Wasser sich schwang

Er und sie und sie und er
Sie schwammen als Leichen ins weite Meer …
Ihr Schneider, präget euch das ins Hirn
Und nehmt zu den Knöpfen stets leinenen Zwirn

Bedenket, welch Glück sich hätt können entfalten
Hätt hier in dem Falle der Knopf gehalten!
So aber, weil der Faden zerrissen
Hat der Schneider zwei Leben auf dem Gewissen

Text: Bänkellied von 1883, in „Fliegende Blätter“
in: Krokodilstränen (1970)

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