Ach Lieb, ich muß dich lassen!
ich fahr dahin mein Straßen
bringt meinem Herzen Pein
Wie könnts mir übler gfallen
denn so die Liebst ob Allen
von mir so muß gescheidet sein.
Die Treu ich oft bedenke,
Mein Herz in Trauren senke.
Wenn ich es recht betracht.
Mich freut nichts auf der Erden
Wann sie mir nur möcht werden.
Mein Herz verging sein Ohnemacht
Ihr Äuglein mich erfreuten
Wann ich sie sah zu Zeiten
Doch alte Lieb rost nicht
Das tröst mich ab meim Schmerzen
Sie denk noch mein im Herzen
Wie denn von mir täglich geschicht.
Böhme schreibt im Liederhort (1897) über dieses Lied:
„Noch mehr Zuwachs nach Volksliederart bringt nachfolgender Text.
Als Harmonist der Melodie ist Heinrich Isaak genannt. Dieser war vor 1492 Kapellmeister an der Johanniskirche zu Florenz, Lehrer des Prinzen Lorenz von Medici und kaiserlicher Geschäftsträger an genanntem Hofe, später in Wien Kapellmeister des Kaisers Maximilian (gestorben 1519). Da Isaak in diesem Amte starb, so mag sein Todesjahr spätestens 1518 sein. Wahrscheinlich war Isaak selbst der wirkliche Komponist (nicht bloß der Harmonist) dieser schönen Abschiedsmelodie, mit welcher er ein unvergängliches Denkmal sich gesetzt hat. — Den Text für ein Handwerksburschenlied zu halten, ist grundlos: die höfische Sprache darin weist auf einen Hofe- oder Kunstdichter. — Es geht die Sage, Kaiser Maximilian, der so oft und gern in Innsbruck sich aufhielt, hätte selbst dies Abschiedslied gedichtet und sein Kapellmeister Isaak es komponiert. —
Das Lied mit seiner herrlichen Melodie stammt jedenfalls aus dem Ende des 15. Jahrhunderts und war schon 1505 so beliebt, dass auf seine Weise ein geistliches Lied gedichtet wurde. Dieses steht im Münchner cod. germ. 808 vom Jahr 1505 und sein Anfang lautet nach WK. II, 1020:
„Frolich so wil ich singen
Ich hoff mir sol gelingen.
So ichs will heben an:
Maria Wardt geboren
von Sandt Anna auserkoren
von Joachim der heilig Mann
Überschrift: Ein Liedlein von sanndt Anna und Joachim. In dem Ton: Innsbruck ich muß dich lassen. —
Nach der Reformation wurde die Singweise zu mehreren geistlichen Dichtungen benutzt. Zunächst gabs eine geistliche Umdichtung von dem ev. Pfarrer J. Heß ( gestorben 1547 in Breslau), die lange beliebt war und zu Begräbnissen und Hinrichtungen vom Volke gesungen wurde:
O Welt ich muß dich lassen
ich fahr dahin mein Straßen
Ins ewig Vaterland
Mein Geist muß ich aufgeben
Dazu mein Leib und Leben
Setzen in Gottes gnädig Hand
Mit diesem Texte ging die Melodie in die ev. Kirchengesangbücher über. Später (im 17. Jahrh.) sang Paul Gerhard nach dieser Weise sein Abendlied: Nun ruhen alle Wälder. Unter diesem Namen lebt die Melodie noch jetzt, freilich ihres alten Rhythmus entkleidet, im evangel. Kirchengesang und werden hunderte von Liedern nach ihr gesungen.
Selbst in den katholischen Kirchengesang (s. Bäumker I, Nr, 407) fand sie Eingang und zwar in neueren Gesangbüchern zu dem Sakramentsliede:
O allerhöchste Speise
Auf dieser Lebensreise
Wahrhaftes Himmelsbrot
Tu uns den Hunger stillen
Mit deiner Gnad erfüllen,
Uns retten von dem Tod.
Ein Stück deutschen Lebens, deutscher Gefühlsinnigkeit muß dieser sanften ionischen Weise innewohnen, dass sie 5 Jahrhunderte durchlebte und immer noch als Choral gern gesungen wird. S. Bach soll sich dahin ausgesprochen haben: er wolle für diese einzige Melodie, wenn er sie erfunden hätte, sein bestes Werk hingeben. (Allgem. Kirchenzeitung 1836 S. 51). Ebenso soll Mozart sich geäußert haben (s. Tucher, Schatz des ev. Kirchengesanges 1840, S. I). —
Anmerkungen zu "Ach Lieb ich muß dich lassen"
Quelle: „Der ander Tcyl Newer Tcutscher Lieder zu drcy Stimmen . . . Durch Leonardum Lechnerum Athesinum (aus dem Etschland) Componiert. Nürnb. 1577, Nr. 16. — Ein späterer Druck heißt: „Der erst und ander Teil Der Teutschen Villanellcn Leonardi Lechneri . . . Nürnb. 1590 (Darnach hier.)
Text schon bei Forster IV. 1556, Nr. 18 etwas abweichend:
„Ach Lieb, ich muß dich lassen
Ein Zeit groß Schmerzen fassen
Weil ich von dir muß sein!
Wie könnts mir übler gfallen
Daß ich die Liebst ob allen
Sollt meiden so weit von dem Rhein.“
Vergleiche auch:
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