Sie halfen mit das Leid zu tragen

Bürgerliche Gleichstellung

Sie halfen mit, das Leid zu tragen
Sie fühlten doppelt jede Not
Sie kämpften mit an großen Tagen
Und fanden siegend ihren Tod
Sie haben nun das Recht zu fragen
Ist das der Freiheit Morgenrot

Ihr ließt sie eure Lasten tragen
Ihr achtetet nicht ihrer Not
Ihr saht sie stark an großen Tagen
Und doch versöhnt euch nicht ihr Tod
Ihr habet nun die Pflicht zu sagen
Das ist der Freiheit Morgenrot

Sie kamen aus dem eignen Lande
Sie gingen hin in alle Welt
Sie halten fest am heil’gen Bande
Das Volk und Stamm zusammenhält
Sie haben nun das Recht zu fragen
Was ist’s das euch an uns mißfällt

Ihr jagtet sie von Land zu Lande
Ihr triebt sie aus in alle Welt
Ihr schontet nicht was heil ge Bande
So wunderbar zusammenhålt
Ihr habet nun die Pflicht zu sagen
Das ist’s was uns an euch mißfällt

Sie üben jedes Landes Sitte
Sie achten jedes Landes Macht
Sie prüfen sorglich ihre Schritte
Und doch wird ihrer kaum gedacht
Sie haben nun ein Recht zu fragen
Ist das das Licht nach dunkler Nacht

Ihr spottetet wol ihrer Sitte
Ihr glaubtet nicht an ihre Macht
Ihr fragtet nicht bei jedem Schritte
Hast du des Nächsten auch gedacht
Ihr habet nun die Pflicht zu sagen
Das ist das Licht nach dunkler Nacht

Sie trieben hohe Geistesblüten
Sie förderten die Wissenschaft
Sie waren’s die für Freiheit glühten
Und was die Kunst nur Schönes schafft
Sie haben nun das Recht zu fragen
Ist das der Lohn für unsre Kraft

Ihr erntetet die Geistesblüten
Ihr nahmt sie hin die Wissenschaft
Ihr bliebet kalt wenn jene glühten
Ob auch die Kunst das Höchste schafft
Ihr habet nun die Pflicht zu sagen
Das ist der Lohn für eure Kraft

Sie haben mit uns gleiche Pflichten
Sie fordern nun auch gleiches Recht
Sie mag der Gott der Vater richten
Und nicht das lebende Geschlecht
Sie haben nun das Recht zu fragen
Wo bleibt für uns das Menschenrecht

Ihr fordertet die gleichen Pflichten
Ihr Gebt denn auch das gleiche Recht
Ihr sagt das Buch ihr sollt nicht richten
Sie fordern ja nur Menschen recht
Was soll von Euch die Mitwelt sagen
Und was das kommende Geschlecht

Sie halfen mit das Leid zu tragen
Sie fühlten doppelt jede Noth
Sie kämpften mit an großen Tagen
Und fanden siegend ihren Tod
Sie haben nun das Recht zu fragen
Ist das der Freiheit Morgenrot

Ihr ließt sie eure Lasten tragen
Ihr achtetet nicht ihrer Not
Ihr saht sie stark an großen Tagen
Und doch versöhnt euch nicht ihr Tod
Ihr habet nun die Pflicht zu sagen
Euch glänzt der Freiheit Morgenrot

Text: F. E .Eisen
Köln, 21. März 1848
Kölner Zeitung, auch in Allgemeine Zeitung des Judentums (Leipzig, den 3. April 1848)

Liederthema:
Liederzeit vor 1848 - Zeitraum:
Stichwort: Antisemitismus • Orte:


Ähnliche Lieder: