Liederlexikon: Rosmarin

| 1893

Der Rosmarin gehört in Norddeutschland zu den Trauerpflanzen. Die Leichenträger auf dem Lande, welche eine Jungfrau beerdigen, erhielten sonst einen Rosmarinzweig an einem Bande befestigt, um den Arm gewunden. In Thüringen wurde sonst bei Begräbnissen von Alt und Jung jedem Leidtragenden, auch dem Pfarrer und Cantor, vor Wegtragen der Leiche ein Rosmarinstengel nebst Zitrone überreicht. In dieser Deutung singt Justinus Kerner in „Reiseschatten“ (1811):

„Rosmarin ist Wehmut, Trennung
Rosen deuten Lieb und Freude,
Lorbeer deuten Ruhm und Sieg.“

In Süddeutschland dagegen hat der Rosmarin, ein Liebling der Landmädchen vorzugsweise, eine fröhlichere Bedeutung. Er ist hier eine hochzeitliche Pflanze, deren Zweige der Brautführer und die Brautjungfer, bei dem Gange in die Kirche zur priesterlichen Einsegnung, in den Händen tragen. Auch diejenigen Kinder, die hier zum ersten Mal zum Abendmahle gehen, tragen einen Rosmarinzweig nebst einer Zitrone in der Hand, weil sie ihren Ehrentag feiern. (in Deutscher Liederhort, 1893 II S. 523f.)

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