Liederlexikon: Muttertag

| 1970

Die Volkskundlerin Christiane Cantauw klärte in einer Presse-Mitteilung des Landschaftsverband Westfalen-Lippe (LWL) über den Muttertag auf:
„Er wurde schon vor dem ersten Weltkrieg in 45 Unionsstaaten der USA begangen und 1914 als Staatsfeiertag fest etabliert. Über England, Norwegen und Schweden kam der Mother’s day in den 1920er Jahren nach Deutschland, wo sich vor allem der Verband deutscher Blumengeschäftsinhaber und der Bund der Kinderreichen für diese Idee stark machten.“
Christiane Cantauw verschweigt dabei aber nicht, dass „das NS-Regime diesen Tag in bisher nicht gekannter Weise öffentlich und politisch nutzte, um eine bestimmte Frauenrolle und das damit verbundene Frauenbild zu festigen. Der deutschen Mutter, als Hüterin und Pflegerin eines stolzen Nachwuchses, so der damalige Minister für Wissenschaft, Kunst und Volksbildung, Bernhard Rust, sollte an diesem Tag des Bekenntnisses zur artreinen, erbgesunden und kinderreichen deutschen Familie besonders gedacht werden. Weniger im Sinne der nationalsozialistischen Machthaber wird es gewesen sein, dass diese Feiern teilweise auch ein Gedenken an die Gottesmutter einschlossen, wie es zum Beispiel 1934 in Erle bei Raesfeld im Kreis Borken der Fall war.“




In größeren Städten wurden seit den 1920er Jahren öffentliche Muttertagsfeiern veranstaltet. Christiane Cantauw: „Dem wahren Frauenberuf, den die Arbeitsgemeinschaft für Volksgesundheit bereits 1927 propagiert hatte, wurde in der NS-Zeit als wesentlicher Inhalt das Recht des Dienendürfens beigegeben. Hitler stellte das 1934 in einer Rede vor der Reichsfrauenschaft so dar – Was der Mann einsetzt an Heldenmut auf dem Schlachtfeld, setzt die Frau ein in ewig geduldiger Hingabe, in ewig geduldigem Leiden und Ertragen.

Am Muttertag 1939 wurde erstmalig das „Ehrenkreuz der deutschen Mutter“ verliehen an  „deutschblütige arische“ Frauen mit mindestens vier Kindern, die als „würdig“ eingestuft worden waren. Dieses – schon damals als „Karnickelorden“ verspottete – Mutterkreuz wurde von Bittstellern immer gern erwähnt, wenn sie ihre nationale Gesinnung unter Beweis stellen wollten. Christiane Cantauw erwähnt sogar eine Frau aus Münster, die „Ersatz für das im Zuge der Bombardierung ihres Hauses zerstörte Mutterkreuz“ beantragte.


(Vielen Dank an Winfrid Dulisch, der uns diese Informationen übersandte)