Zwischen Weichsel und der Sola schön verstaut

Auschwitzlied

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Zwischen Weichsel und der Sola schön verstaut
Zwischen Sümpfen Postenketten, Drahtverhau
Liegt das KL-Auschwitz, das verfluchte Nest,
das der Häftling hasset, wie die böse Pest.

Wo Malaria, Typhus und auch andres ist,
wo dir große Seelennot am Herzen frisst,
wo so viele Tausend hier gefangen sind
fern von ihrer Heimat, fern von Weib und Kind.

Häuserreihen steh´n gebaut von Häftlingshand,
bei Sturm und Regen musst du tragen Ziegeln, Sand,
Block um Block entstehen für viele tausend Mann,
Alles ist für diese, die noch kommen dran.

Außer Flöhen, Läusen, plaget Fieber Dich,
viele tausend mussten sterben kümmerlich,
ja du wirst gequälet hier bei Tag und Nacht
und bei jedem Schritte ein Posten dich bewacht.

Traurig siehst Kolonnen du vorüberzieh` n,
Vater, Bruder kannst du oft dazwischen seh´n
darfst sie nicht mal grüssen, es brächte dir den Tod,
vergrößerst unwillkürlich dadurch nur ihre Not.

Traurig ziehn die Reihen nun an dir vorbei,
schallend hörst Befehle du, wie „Links, zwei, drei!“
Hier etwas zu sagen hast Du gar kein Recht,
Wenn Dein Mund auch gerne um Hilfe schreien möcht.

Vater, Mutter! Ob ihr noch zuhause seid?
Niemand weiss von unsrem großen Herzeleid,
träumen darfst Du hier nur von dem Elternhaus
aus dem das Schicksal jagte so schnöde dich hinaus.

Sollte ich dich Heimat nicht mehr wiederseh ´n
und wie viele andere durch den Schornstein geh´n
seid gegrüßt ihr Lieben am unbekannten Ort
gedenket manchmal meiner, die ich musste fort.

Text: Camilla Mohaupt (oder Camille Spielbichler)
oder Aranka Heitlinger gemeinsam mit Margit Grossberg-Bachner
Musik: auf die Melodie von „Wo die Ostseewellen

Dieses Lied auf dem Album:

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Die Grenzgänger spielen Lieder und Texte aus den Lagern und Gefängnissen des NS-Staates und dem Widerstand gegen das Hitler-Regime. Die Lieder führen mitten hinein in die Gedanken und Gefühle der Gefangenen, feiern ihren Mut, ihren Überlebenswillen, ihre Menschlichkeit. „Grossartig! Meisterklasse!“ (Folk-Magazin) Hörproben und Bestellmöglichkeit

Zur Geschichte dieses Liedes:

Parodien, Versionen und Variationen:

Unter der Überschrift: “Mine Heimat” wurde das Gedicht „Wo de Ostseewellen trecken an den Strand“ von Martha Müller-Grählert zum ersten Mal 1907 in den “Meggendorfer Blättern” veröffentlicht und in Zürich von dem aus Thüringen stammenden Schreiner, Dirigenten und Mitglied eines Arbeiterchores Simon Krannig (1910) vertont. Dieser hatte den Text von einem wandernder Glasergesellen aus Flensburg bekommen, der den Zeitungsausschnitt aus den „Meggendorfer Blättern“ bis nach Zürich brachte.

Das Lied ist heute unter dem Titel “Wo die Ostseewellen trecken an den Strand” weit über Deutschland hinaus bekannt. Das Lied diente als Sehnsuchtslied in die Heimat während der nationalsozialistischen Diktatur in Konzentrationslagern mehrfach als Vorlage für neue Lieder, so z.B. in Dachau, Esterwegen und Auschwitz.

Was für ein Hohn, dass heute ausgerechnet die Nachdichtung „Wo die Nordseewellen ziehen an den Strand“ des überzeugten Nationalsozialisten und Judenhassers Peter Fischer-Friesenhausen (1886-1960) aus Soltau bekannter ist als das Original.

Hinzu kommt, dass Fischer-Friesenhausen sich das Lied aneignete, ohne auch nur einen Pfennig an die beiden Verfasser zu bezahlen. Es dauerte ein Vierteljahrhundert bis Martha Müller-Grählert und Simon Krannig 1936 in einem Urheberrechtsprozess Tantiemen zugesprochen wurden! Doch ehe die Regelungen des Urteils rechtskräftig wurden, starb Martha Müller-Grählert am 18. November 1939 fast erblindet, arm und einsam im Altersheim Franzburg bei Stralsund. Ihr Grab befindet sich auf dem Friedhof in Zingst mit der Inschrift: „Hier is mine Heimat hier bün ick to Hus“.