Auf grünen Bergen wird geboren

Lob des Weins

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Auf grünen Bergen wird geboren

Auf grünen Bergen wird geboren
der Gott, der uns den Himmel bringt
die Sonne hat ihn sich erkoren
dass sie mit Flammen ihn durchdringt

Er wird im Lenz mit Lust empfangen
der zarte Schoß quillt still empor
und wenn des Herbstes Früchte prangen,
springt auch das gold’ne Kind hervor

Sie legen ihn in enge Wiegen
ins unterirdische Geschoß
er träumt von Festen und von Siegen
und baut sich manches lust’ge Schloss

Es nahe keiner seiner Kammer,
wenn er sich ungeduldig drängt
und jedes Band und jede Klammer
mit jugendlichen Kräften sprengt

Denn unsichtbare Wächter stellen
so lang er träumt, sich um ihn her
und wer betritt die heil’gen Schwellen
den trifft ihr luftumwundner Speer

So wie die Schwingen sich entfalten
läßt er die lichten Augen sehn,
läßt ruhig seine Priester walten,
und kommt herauf, wenn sie ihn flehn

Aus seiner Wiege dunklem Schoße
erscheint er im Krystallgewand
verschwiegner Eintracht volle Rose
trägt er bedeutend in der Hand

Und überall um ihn versammeln
sich seine Jünger hocherfreut,
und tausend frohe Zungen stammeln
ihm ihre Lieb und Dankbarkeit

Er spritzt in ungezählten Strahlen
sein inn’res Leben in die Welt
die Lippe nippt aus seinen Schalen
und bleibt ihm ewig zugesellt

Er nahm als Geist der goldnen Zeiten
von jeher sich des Dichters an
der immer seine Lieblichkeiten
in trunknen Liedern aufgetan

Er gab ihm, seine Treu zu ehren
ein Recht auf jeden hübschen Mund
und dass es keine darf ihm wehren
macht Gott durch ihn es allen kund

Text: Novalis = Friedrich von Hardenberg (1801)
Musik: Christian Schulz (1820) – eine ältere Melodie von Imanuel Friedrich Knapp steht in Kommersbüchern
in: Volkstümliche Lieder der Deutschen (1895)

Liederthema:
Liederzeit: vor 1801 : Zeitraum: