Zu eine Illumination (Haben Sie nicht den kleinen Cohn gesehn?)

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Zu eine Illumination
geht auch mit einer Maid, Herr Cohn
die Maid glüht für Herrn Cohn gar sehr
fast mehr als rings das Flammenmeer
deshalb ist doppelt groß ihr Schreck
als plötzlich Cohn war von ihr weg
Das kam daher, weil er gesehen
die liebe Ehehälfte gehen
Die Maid ist trostlos, ganz verzagt
und geht zum Schutzmann hin und fragt

Hab’n Sie nicht den kleinen Cohn geseh’n?
Sah’n Sie ihn denn nicht vorübergeh’n?
In der Volksmenge,
kam er in’s Gedränge.
Da hab’n Sie nun den Schreck
der Cohn ist weg!

Der Schutzmann sucht und sagt: I, wo
gehn Sie doch hin ins Fundbureau
’s ist möglich, daß man aus der Stadt
ihn dort schon abgeliefert hat.
Die Maid geht hin, doch war dort nix
kein Cohn –, nur ne Konservenbüchs
Was mache ich jetzt bloß vor Schreck
ich bin ganz futsch, der Cohn ist weg
Und händeringend klagt die Maid
nun auf der Straße laut ihr Leid

Hab’n Sie nicht den kleinen Cohn geseh’n?
Sah’n Sie ihn denn nicht vorübergeh’n?
In der Volksmenge,
kam er in’s Gedränge.
Da hab’n Sie nun den Schreck
der Cohn ist weg!

Um unsre Maid, da bildet sich
ein Menschenknäuel, ganz fürchterlich
und gleich herrscht nun in dem Gewühl
das allergrößte Mitgefühl
Es bleiben fragend alle steh’n
hab’n Sie denn nicht den Cohn gesehn?
Es pflanzt der Ruf sich brausend fort
und wird dann zum geflügelt Wort
ob hoch, ob niedrig, arm und reich
wenn man sich trifft, so frägt man gleich

Hab’n Sie nicht den kleinen Cohn geseh’n?
Sah’n Sie ihn denn nicht vorübergeh’n?
In der Volksmenge,
kam er in’s Gedränge.
Da hab’n Sie nun den Schreck
der Cohn ist weg!

Es ruft mich freundlicher Applaus
ich komme dankbar noch mal raus
und freue mich, daß dieses Lied
Berlin so ins Gemüte zieht
Deshalb ist doppelt groß mein Schreck
der Kleine is noch immer weg
Und wenn Sie jetzt in’n Tunnel gehn
so bitt ich Sie, sich um zu sehn
ach frag’n Sie doch beim Glase Bier
und ich frage noch mal hier:

Hab’n Sie nicht den kleinen Cohn geseh’n?
Sah’n Sie ihn denn nicht vorübergeh’n?
In der Volksmenge,
kam er in’s Gedränge.
Da hab’n Sie nun den Schreck
der Cohn ist weg!

Text: Emil Rosendorff ( 13. Dezember 1877 in Berlin, gest. 18. März 1942 im Ghetto Litzmannstadt), Refrain-Idee von Ludwig Renner (1868 – 1932)
Musik: Julius Einödshofer (1863–1930)
Uraufführung: Am 18. Januar 1902 im Berliner Thalia-Theater in der Revue „Seine Kleine“ (Große Ausstattungsposse mit Gesang und Tanz). Gesungen von Guido Thielscher.

Liederthema:
Liederzeit: vor 1900 : Zeitraum:
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Geschichte dieses Liedes:
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Zur Geschichte dieses Liedes:

Parodien, Versionen und Variationen: Als „Cohn“ oder „Kohn“ verspottete man zu Zeiten des Deutschen Kaiserreichs die jüdische Bevölkerung. Um 1910 – oder etwas später – erschien sogar ein Buch mit Witzen mit dem Titel „Der kleine Cohn„. Das Lied „Haben Sie nicht den kleinen Cohn gesehen“ wurde kurz zuvor zum Hit, der Titel verbreitete sich über Postkarten mit überwiegend antisemitischen Karrikaturen.

Anmerkungen zu "Zu eine Illumination (Haben Sie nicht den kleinen Cohn gesehn?)"

Rosendorff schrieb in der Weltbühne, er habe von Kren und Schönfeld für „Der kleine Cohn“ zunächst ein Honorar von 20 Mark erhalten. Nachdem diese sich selbst als Textdichter ausgaben, habe er, Rosendorff erst in einem gerichtlichen Vergleich ein höheres Honorar erlangt. Das von Max Marcus in Berlin verlegte Musikstück galt als der Schlager des Jahres.

Cohn ( abgeleitet vom hebräischen Begriff Kohen) ist ein verbreiteter Nachname unter den europäischen Juden. Der kleine Cohn (auch „Kohn“ geschrieben) war ein Synonym für die Vorurteile gegen die jüdische Bevölkerung im Deutschen Kaiserreich unter Wilhelm II zu Beginn des 20. Jahrhunderts. Die bildliche Darstellung auf Postkarten bedient sich der gängigen antisemitischen Klischees: „Der kleine Cohn“ erscheint er extrem kleinwüchsig, krummbeinig, oft mickrig und schmächtig, immer aber mit übergroßer Hakennase.

Von der nationalsozialistischen Propaganda wurde die Figur des kleinen Cohn ebenfalls benutzt, so beispielsweise von dem Gesangstrio Die drei Rulands in einer Radiosendung nach dem Novemberpogrom. Der kleinere der beiden 1900 bis 1904 erbauten Frankfurter Rathaustürme wurde im Volksmund „Kleiner Cohn“ genannt. Seine äußere Gestalt entsprach dem Salmensteinschen Haus, einem um 1810 abgebrochenen Gebäude auf der Frankfurter Stadtmauer in der Nähe der einstigen Judengasse.  (Wikipedia)