Liedergeschichte: Bruder Claus
Zur Geschichte von "Bruder Claus": Parodien, Versionen und Variationen.
Wir haben hier eine Melodie in mehreren Lesarten vor uns, die Herr v. Liliencron (Nachtrag S. 27) aus Handschriftlichen Quellen mitgeteilt und die unzweifelhaft unter verschiedenen Namen noch vielen andern Liedern gedient hat. Durch Vergleichen vieler historischer Lieder in der sechszeiligen Strophenform, deren Tonangaben auf einander verweisen, gelangt er S. 83 zu der Annahme, dass folgende Tonangaben zuletzt nur eine und dieselbe Singweise bezeichnen:
- a) Der alte Gris (Wie wohl ich bin ein alter gris. 1499) und der geistliche Bruder Caus (In Gottes Namen heb ich an. 1513). Beide schon oben Nr. 252 besprochen.
- b) „Sie sind geschickt zu Sturm und Streit“ ist ein verlorenes Landsknechtslied vor 1524, das nur durch Tonangaben zu historischen Liedern bekannt ist. Zunächst diente sein Ton zum Pavierlied 1525 (In Gottes Namen so heben wir an), dann zum Lied vom fränk. Bauernkriege 1525: Ach Gott in deinem höchsten Thron (s. unter D). Aus diesen Tonangaben hat man zu folgern, dass seine Musik in der vorliegenden erhalten blieb.
- c) Der Pavierton (sechszeilig) 1525. Das Pavierlied mit dieser Strophenform hat die Überschrift: „Ein hübsch neu Lied der Stat Pavia, wie sie vom König aus Frankreych belagert und zum Sturm geschossen ward. Im thon, Sie sind geschickt zu Sturm und Streit.“Mit Gottes Hilf so heben wir an
zu Lob der kaiserlichen Kron
ein neues Lied zu singen
Maria, mutter, reine maid
dein liebes kind dir nicht versait
hilf gott, daß uns gelinge.So der Anfang bei v. Liliencron Nr. 369. In einem Nürnb. Druck (s. Wolff 657) lautet er : In Gottes hilf so heben wir an. — Aus der Tonangabe hier erhellt, dass der Pavierton und die Weise „Sie sind geschickt etc“ identisch sind. - d) Der fränkische Bauerton (1525) hat seinen Namen von folgendem Liede auf den fränkischen Bauernkrieg: „Ein newes lied, wie es in der Fräönckischen Bauernkrieg ergangen ist, im Thon, Sie sein geschickt zum sturm und streit.“ Anfang nach Hildebr. 18 u, v. Lil. 379:Ach Gott in deinem höchsten Thron
Im welschen und im deutschen Land
du wollst uns nicht entgelten lon
sich keiner hält nach seinem Stand
daß wir so böslich leben
thun alle widerstrebenAuf den Ton dieses Liedes verweist ein Lied (WK. III, 475) „etliche Ständ und Orden der Mönch und Pfaffen betreffend, In der Fränckischen Bauren Ton“, Anfang:Wacht auf, ihr Christen alle gleich
und lobet Gott vom Himmelreich
ein Licht ist aufgegangcn etc…Somit wieder ein anderer Name für dieselbe Melodie. Sie kommt mit dem Anfange „Ach Gott O Gott! in deinem höchsten Thron“ vielfach vor.
- e) Das Württemberger Lied besingt Herzog Ulrichs Wiedereinsetzung 1534. Vom Text die Anfangsstrophe unter der Mel. oben; vollst, bei v. Lil. Nr. 452, Hildebrand 24. — Über dem Liede steht in der Ulmer Hs. „In seiner „eigen Melodei.“ Anderwärts heißt die Tonangabe: „Sie sind geschickt zu Sturm und Streit“; und wieder anderwärts: „Und singts wie’s Frewlein von Brithania * oder im thon von der schlacht vor Pavia zu singen.“ (Der unter * citierte Ton ist falsch, das Versmaß paßt nicht, s. Nr. 251 oben.) Der Pavierton sechszeilig wäre (nach v. Liliencron’s Annahme) kein anderer als „Ach Gott, in deinem höchsten Thron“, worauf der ähnliche Anfang des Ulrichliedes hindeutet.
Die Annahme des Herrn v. Liliencron, dass für alle diese 5 Tonangaben (A bis E hier>) nur eine Melodie vorhanden war, wird in Frage gestellt durch das oben Nr. 269 von mir beigebrachte Melodiefragment, das ich für den Anfang des wahren Pavierliedes (sechszeilig) halte.
Das Württembergerlied wird zu einem Reformationslied der Schweizer um 1534 angeführt auf einem fl. Bl. der Züricher Stadtbibliothek in Simler’s Ms. 29: „Ein hübsch nüw Lied, wie das wort Gottes in Zürich ist zum ersten entsprungen und predigt. . . In der wyß wie das Württemberger Lied, Ich lob Gott in dem höchsten thron.“ Anfang:
Ach rycher Christ in dinem thron
Wie blyt dyn Fygenbaum so schon
In Zürich hat er sin stammen
Die äst die ragend wyt und fer
ir frucht die fulet nimmer mer
Su kumpt von Gottes Nammen.
Dem fl. Bl. ist nicht die Melodie (wie Weller I, S. 308 angiebt), sondern nur ein unbrauchbares Notcnfragment ohne Text und zwar verkehrt beigedruckt. Wie die mir gütigst mitgeteilte Abschrift mich lehrt, ist es der Schluß irgend einer Melodie von ganz anderem Versbau und nicht zu unserer Melodie stimmend. (Böhme, Liederhort II. S. 87ff)
Wie wohl ich bin ein alter Greis (Bruder Claus) (1499)
Nun hört ihr Christen alle gar (1529)
Ich lob Gott in dem höchsten Thron (1534)
Vom Land Württemberg wie es erobert und eingenommen