Liederlexikon: Stechpalme

| 1908

Dieser einheimische, immergrüne Baum unserer nordischen Flora hatte in alter Zeit vorzüglich im niederdeutschen Gebiet eine hohe Kultbedeutung. Sein alter Name scheint hier „Hülsebusch“, „Hülseholz“ (ahd: hulise; mhd: huls) gewesen zu sein. Diese Namen sind für Pommern, Mecklenburg, Unterelbe, Unterweser bezeugt. Im Schaumburgischen heißt er „Hurlebusch“. Für uns ist hier seine Bedeutung als Lebensrute von Wichtigkeit. Im Schaumburgschen schlagen die Burschen zu Fastnacht mit Zweigen der Stechpalme die Waden der Frauenzimmer und heben dabei die Hand so hoch, als der Flachs werden soll. Sie peitschen oft so derbe, daß Blut fließt. Dabei singen sie:

Fue. Fue Faßlahmt (Fastelabend)!
Wenn du geren geben wutt,
Schast du sau langen Flass hebben.

Sie dringen in ganz fremde Häuser ein. Ehedem wurde selbst die Landesherrschaft nicht verschont. Der Fürst mußte sich durch ein „Fudelgeld“ loskaufen. — Wie roh es übrigens herging, zeigt ein alter lateinischer Bericht, der da klagt, daß man den Frauen die Röcke hinten hochhob und sie auf das nackte Hinterteil schlug. Ein Rest des uralten erotischen Brauches, mit der Lebensgerte die Frauen auf den Geschlechtsteil zu schlagen!

In Hannover besorgen sich die Lehrjungen der Bötticher und Bäcker zu Fastnacht Zweige von der Stechpalme, verfertigen sich Fuebüsche und fueen (schlagen, kindeln) tüchtig die Mägde auf Hände und Arme mit den stachligen Hülsen. — Im Kalenbergschen heißt die Stechpalme noch heute „Füe“, „Fue“, — Im Lüdenscheidtschen werden die Kühe mit der Stechpalme „gequieckt“. Ihre Hörner werden am ersten Pfingsttag mit Besen von Stechpalmen und Eichen geschmückt. Erotische, sexuelle volksmedizinische Bedeutung hat die Stechpalme nicht.

in Volkserotik und Pflanzenwelt (1908)

Medien: