Liederlexikon: Nederlandtsche Gedenck-Clanck

| 1626

„Die niederländischen Erinnerungsklänge „Gedenck-Clanck“ des Valerius versetzen uns durch ihren Inhalt in das Heldenzeitalter der Niederländer Ende des 16. und Anfang des 17. Jahrhunderts, als das geknechtete und seines Glaubens willen verfolgte Volk sich von der übermäßigen Herrschaft der Spanier zu befreien suchte. Es sind 76 patriotische Lieder, teils von Valerius selbst, teils von andern, auf bekannte weltliche Volksweisen gedichtet, die er durch Prosaerzählung mit einander in einen geschichtlichen Zusammenhang gebracht und chronistisch aneinander gereicht hat. Darin entrollt er ein treffliches Bild jenes freien frommen und tapferen Geschlechts, das mit dem Befreiungshelden Wilhelm v Oranien standhaft männlich und im Aufblicke zu Gott, allen Gefahren und Verfolgungen der Feinde Trotz bietet, und schließlich den Sieg erhält, den es mit Lob und Dank gegen Gott feiert.

Valerius war zu Middelburg in den Niederlanden um 1575 geboren, seines Glaubens reformierter Calvinist und wirkte von 1606 bis zu seinem Tode 1625 in der Stadt Veere als Notar und Gerichtsschöffe.

Das nationale Liederwerk, das erst ein Jahr nach des Verfassers Tode gedruckt erschien, geriet lange Zeit in Vergessenheit, von den urwüchsigen Weisen darin erklang bloß das Geusenlied „Wilhelmus von Nassauen“ bis auf die Gegenwart. Erst als 1871 auf Veranstaltung des Vereins für niederländische Musikgeschichte durch Dr A. Loman eine Neubearbeitung der Melodien mit Klavierbegleitung und historischen Notizen über Texte und Weisen erschien, wurde die musikalische Welt auf diesen vergessenen Nationalschatz wieder aufmerksam.

Sechs Jahre später erschienen „Sechs altniederländische Volkslieder aus der Sammlung des Adr. Valerius vom Jahre 1626 für Männerchor und Solo mit Orchesterbegleitung“, bearbeitet von Ed. Kremser, Direktor des Wiener Männergesangvereins. Dieser gut zusammengestellte Cyklus mit seiner freien Textbehandlung und seiner modernisierten Musik, zuerst 1877 in Wien aufgeführt, fand in deutschen Konzertsälen überall großen Beifall.

Als dem hannoverschen Männergesangverein am 1 Dez 1893 die hohe Ehre zu Teil wurde, Ihren Kaiserlichen Majestäten diesen berühmten Cyklus vortragen zu dürfen, war seine Majestät der Kaiser von der Wucht der Lieder so hingerissen, dass der Verein geladen wurde, den Vortrag in einem Hofkoncerte zu Potsdam am 12 Dez 93 zu wiederholen. Am Schlusse äußerte Se. Majestät den lebhaften Wunsch, die markigen Gesänge möchten allerwärts Verbreitung finden und durch Einführung in die Schulen, Gemeingut des gesamten deutschen Volkes werden. Diesem Wunsche ist bereits durch zwei Schulausgaben entsprochen, die erste brachte der Verleger der Kremserschen Bearbeitung, Leuckart, Leipzig 1894, eine zweite billigere mit strenger Beibehaltung der Originalmelodien und mit anderer Übersetzung erschien von K. Becker Neuwied 1895″
(in: Volkstümliche Lieder der Deutschen, 1895)

 

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