Liederlexikon: Kirsche

| 1908

Die Kirsche war den Griechen unbekannt. Lucullus soll sie als erster, nachdem er Mithridates besiegt, nach Italien
verpflanzt haben. Bereits vor der althochdeutschen Sprachperiode (VII. Jhdt.) ist das Wort ins Deutsche entlehnt (Kluge). Die Kirsche wanderte hauptsächlich wohl aus dein Südwesten (Elsaß, Baden) ein. Der Oberrhein gehört noch heute zu den reichsten Kirschenländern (Wimmer 282). Aber in der alten Volkserotik hat der Baum nur eine geringe Bedeutung bekommen, ist auch seltener den alten heiligen Kultbäumen substituiert worden.

Als Maien setzte man in Nivernais am ersten Mai Kirschzweige oben zur Seite der Haustür der treuen und unbescholtenen Geliebten. Sie sind das Symbol der Geliebten selbst oder ursprünglicher ihr Lebensbaum. In manchen deutschen Orten dagegen z. B. im Bergischen setzen die Burschen beim Maifest jenen Mädchen, die nicht mehr Jungfrauen sind, Kirschbaumzweige vor das Fenster, daß sie also vom Feste ausgeschlossen seien.

So sagt man auch von einem Mädchen, das schwanger geworden ist: „Sie ist zum Kirschbaum geworden“ oder „Sie hat ein Hufeisen abgeworfen und ist zum Kirschbaum geworden“. (Herberger Paradiesgärtlein Leipzig 1625, II 284). Luther sagt von einem, der ein Mädchen, das von ihm ein Kind gehabt, an einen andern verheiratet: „Er frißt die Kirschen aus und hängt den Korb dem andern an den Hals“. (Tischreden 407 b). — „Die Kirschen brechen“ wird in demselben wie „Rosen brechen“ vom verbotenen Liebesgenuß gebraucht.

in Volkserotik und Pflanzenwelt (1908)

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