Liederlexikon: Der Polen Mai

| | 1830

Auffallend reich an Polenliedern ist Südwestdeutschland, die Rheinpfalz und Baden, die in den 30er Jahren und 1848/49. eine besonders aktive Rolle in der demokratischen Bewegung spielten. ..In der Rheinpfalz liegt auch Hambach , Schauplatz der denkwürdigen Manifestation der süddeutschen radikalen demokratischen Bewegung am 27. Mai 1832. Beim Hambacher Fest ging die Bürgergarde mit schwarzrot-goldenen Schärpen und einem großen Banner mit den Worten: „Deutschlands Wiedergeburt“. Schärpen in den polnischen Nationalfarben und eine von deutschen Frauen gestiftete polnische Fahne im Zuge gaben der Verbundenheit des deutschen Freiheitskampfes mit dem polnischen klaren. Ausdruck. Dies zeigte sich auch in den auf dem Hambacher Fest gehaltenen Reden sowie in den dort gesungenen Liedern. …

Eine lebendige Schilderung der Polenfreundschaft in Baden (vor der Deutschen Revolution von 1848) gibt J..Ph. Glock in der Einleitung zu seinem “ Badischer Liederhort “ (I, 19.10, S. 33):

„Eine Art ausländischer Mitläufer unter den geschichtlichen Volksliedern unseres Landes waren in den 30er und 40er Jahren des verflossenen Jh.s die sogen. Polenlieder. Das waren Lieder, welche die von den Polen in ihrem Aufstand gegen Rußland bewiesene Tapferkeit verherrlichten, und zwar meist in einer sehr überschwänglichen Gefühlsweise, wie sie dem romantischen Geschmack des Zeitalters entsprach.

Aus einer Art kosmopolitischer Sympathie, welche vor allen anderen Völkern uns Deutschen angeboren ist, fanden die slavischen Siegeshymnen zu Ehren Labienkas und zum Gedächtnis der Tausend vor Warschau einen berauschenden Widerhall in den Herzen schlichter deutscher Bürger, weil dieselben in den immer trüber werdenden Zeiten des politischen Lebens nach den Freiheitskriegen im eigenen Lager keine Freiheitshelden mehr besaßen. In allen Kreisen unseres Volkes, in Stadt und Land, gehörte damals der Polenkultus zum guten Ton.

Wo ein vertriebener Pole auf deutschem Boden sich blicken ließ, wurde er als Märtyrer der Freiheit verehrt und zum Gegenstand der Ovation gemacht. Auch die kleinsten Landstädtchen hatten ihren Polenklub mit besonderem Klüblokal, in dem sich die sogen. Honoratioren des Ortes, die Geistlichen und Lehrer nicht ausgeschlossen, allabendlich zusammenfanden. In diesen Polenklubs wurden Polenreden gehalten, Polenhochs ausgebracht, Polenlieder gesungen , aus Polenhumpen getrunken und aus Polenpfeifen tapfer dazu geraucht …“

Die große Wirkung der in den Volksgesang eingegangenen Polenlieder zeigt sich auch darin, daß fast alle in Text und Melodie zum Vorbild neuer Lieder wurden, von denen einige gleichfalls volkstümlich geworden sind und sich bis in unsere Tage erhalten haben:

Fordere niemand mein Schicksal zu hören
Denkst du daran mein Tapferer Lagienka
Brüder lasst uns gehn mitsammen (Der Polen Mai)
In Warschau schwuren tausend auf den Knien
Hört deutsche Brüder Polen Klage
Noch ist Polen nicht verloren

Quelle: Wolfgang Steinitz , in Deutsche Volkslieder demokratischen Charakters aus sechs Jahrhunderten , Band II, 1962, S. 29f1831


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