Horch ein Pfiff das Dampfroß wiehert

Horch, ein Pfiff! Das Dampfroß wiehert
alle Waggons sind besetzt
Und der Zug fliegt auf den Gleisen
als ob Teufel ihn gehetzt.

„Wie das braust und zischt – o pfui!
Und man kommt doch kaum vom Fleck.“
Also spricht ein junges Herrchen
das blasiert aus seinem Eck

Aeugelt mit der jungen Dame
die ihm gegenüber sitzt
Und mit ihren Diamanten
wie ein dummer Glühwurm blitzt:

„Schau, Papa, die Bäume springen
an dem Wege vor uns her
Gleich als ob sie Polka tanzen, –
ach, die lieb ich gar zu sehr!“

„Laß die Possen“ – brummt der Vater
ein solider Spekulant,
„Mich geniert die Lumpensonne
die uns an des Unglücks Rand
All noch bringt – denn schau, Adele
wie das Korn dort üppig steht!
Zum Verzweifeln ist’s – Gott gebe
dass der Hagel drüber geht
Und die Cholera der Kartoffel
zum Ersatze mag gedeih’n! –
Halt – ein Stoß! – was gibt’s?“

Der Führer hält im Fluge plötzlich ein –
„Ah – dort liegt ja auf den Schienen
eine weibliche Gestalt
Von den Rädern überfahren –
nu vorüber war das bald. –

‚Die Canaille wird zu üppig
kaum erwarten mag sie’s noch,
Bis der Henker kommt, sie selber
spannt sich aus dem Sklavenjoch
Und benutzt zur Guillotine
die Maschine, – gelt mein Herr!
Dieser Witz war gut? Ja wahrlich!
Und das so von ungefähr.‘

Leichenblaß war der Blasierte
denn er hatte sie gesehn
Die Geliebte, die Verführte
blutig, grauenhaft gesehn.
Horch, ein Pfiff! – Das Dampfroß wiehert.
Gottlob, drinn ist nichts verletzt
Und der Zug fliegt auf den Gleisen
als ob Teufel ihn gehetzt.“

Hermann Püttmann: Die Guillotine, 1846
Die Eisenbahn im Gedicht