Die Menschenbestie ist nun nie zu zähmen

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Die Menschenbestie ist nun nie zu zähmen
Ob sie im Frack, ob sie im Drillich steckt
Doch weiß sie schöne Mäntel umzunehmen
Wenn etwas ihre Lüsternheit erweckt
Dass Frommeln nicht, noch Aufklärung sie hemmen
Dass weder Hölle sie noch Himmel schreckt
Das ist noch lange nicht zur Mär geworden
Man weiß, die Menschenbestie liebt zu morden

Der Rasende im Kampf, der seinen Degen
Bohrt in des Gegners Brust, wird hart bestraft
Mit Recht noch härter, wer auf Mörderwegen
Des Nächsten Habe oder Weib errafft
Den Tod verdienet, wer der Menschheit „Segen“,
Die „Allerhöchsten“ ihr vom Halse schafft
– Tyrannen oder nicht -, trotz allem Schaden
Von Gottesgnaden ist von Gottesgnaden

Doch hinterm grünen Tische die Seigneure
So hoch gebildet, so durchaus verfeint
Vom Lackschuh bis zur Glatze eitel Ehre
Den Frack voll Orden, doch das Herz versteint
Leicht tänzelnd unter des Berufes Schwere
Der sonst ja nichts an Eigenglück verneint
Nach diesen Bestien lasst uns einmal spüren
Die schlimmsten nämlich sind, die kalkulieren

Spielt um den Globus ein beringter Finger
Dröhnt’s vor dem Stuhle aus besternter Brust
Die Presse säuselt, saust, wird zum Bezwinger
„Ermanne Adel dich! Du Pöbel, mußt!“
Der Hellste selbst wird da zum Fahnenschwinger
Zu Orgien schwillt der Patrioten Lust
Dem blut’gen Kalbe opfern die Nationen
Und auf dem Schlachtfeld sterben Millionen

Ja, schön ist es fürs Vaterland zu sterben
Ob gut – kein Toter ward bis jetzt befragt
Gut aber ist es für des Krieges Erben
Wenn nicht für all zu viel Pension man klagt
Die große Masse mag noch lang verderben
Der letzte Heller wird ihr abgezwackt
Doch darf sie jubelnd an des Thrones Stufen
Am Sieggedenktag „Hoch“ und „Vivat“ rufen

Text: Emerenz Meier (1874 – 1928)