Kinderspiele mit Blume und Strauch

Das Kind macht sich in seiner Art die Natur dienstbar. Die Schilfhalmen geben Hummen, welche die hineingesungene Weise summend weitertönen; Grashalme und Blätter werden zwischen die zusammengehaltenen Hände gelegt und darauf das Krähen der Hähne nachgeahmt; Blätter werden an die Lippen so fest angesogen oder auf der hohlgeballten Linken mit der Rechten geschlagen, daß sie lautschallend zerplatzen; Blätter der Zirene, d. h. Springe, Flieder werden zu Kränzlein zusammengesteckt und trotz allem Verbot in den Büchern gepreßt und bis zum nächsten Frühling aufbewahrt; auch Dörner werden zu sog. Dornenkronen ineinandergefügt, und aus den Schäften des Löwenzahns, den die Kinder Ringel- oder Kettenblume nennen, werden vielgliedrige Ringelketten geschlungen; von jungen Weidenzweigen macht man Pfeifen und klopft dazu mit dem Messerrücken die saftige Rinde ab. oft noch unter dem altgeheimnißvollen Reime:

157) Hohle, hohle Wide,
Saft, Saft siede.

In der Wetterau singt man beim Abklopfen der Weidenrinde:

Niklos, mach mer min Piff los!
Anne Gret, mach daß min Piff geht!
SaftSaft-Sinn.
Keän ean die Minn (— Kerne, Frucht in die Mühle)
Schdeab (— Staub. Hülse) ean die Bach:
dout mai Paifche ean healle Krach.

Wunderbar ist das Auftreten des blinden Hessen in den Reimen, die beim Bastablösen vom Waldeckschen durch die Ruhrgegenden bis an die Grenze des Bergischen gesungen werden, z. B. in einem Arnsbergischen Liedchen:

Liuke, liuke Pype —
vannär feiste rype —
Maidach Maidach —
wan de Vuegel en Ai lach —
dan küemt dai blinne Hesse —
met synem scharpen Messe —
snit dem Kinne ‚t Bäin af —
’n Kop af ruts af.

Aus Baumrinde machen sich die Kinder Schiffchen mit Mast und Leinensegel; aus biegsamen Ästen Bogen und die Pfeile dazu aus Schilfrohr; Kürbisse höhlen sie aus, schneiden Mund, Augen und Nase hinein, um sie, mit einer Kerze im Innern, Abends auf dem Hofe als Gespensterlaterne leuchten zu lassen; von den großen Gänseblumen zupft man die weißen Strahlenblüten ab zu dem Spruche:

158) Edelmann, Bedelmann,
Doktor, Pastor,
Bierbrauer, Bäcker,
Schweinemajor.

Die Jungen suchen daran scherzweise ihren Beruf, die Mädchen den ihres zukünftigen Mannes zu erkennen. Allbekannt ist Gretchen’s Blumenspiel:

er liebt mich
er liebt mich nicht
er — liebt — mich;

ja, schon Walther von der Vogelweide sang:

si tuot, si entuot;
si tuot, si entuot;
si tout, swie dike (— oft)
ichz tete, sö was in daz ende guot:
daz tröstet mich, da höret ouch geloube zuo.

So viel zunächst von Kinderspielen mit Blume und Strauch.

in Kasseler Kinderspielchen (1891, Nr 157 ff)


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