O Freund werd ja kein Wärter

O Freund werd ja kein Wärter
An einer Eisenbahn
Denn dieses Los ist härter
Als jeder andre Plan

Ein solcher steht da draußen
Und wartet früh und spat
Und hört er etwas sausen
So stellt er sich gerad

Man kann von ihm wohl sagen
Er geh nur auf den Pfiff
Er salutiert die Wagen
Und hat die Hand am Griff

Er muß telegraphieren
Und unter Eis und Schnee
Im Winter schier erfrieren
Beim Schaufeln auf der Höh

Viel besser geht’s dem Schürer
Der wärmt sich doch die Hand
Am besten hat’s der Führer
Bei seinem hohen Stand

Nun ja man kann’s erwarten
Das Glück kommt nach und nach
Für jetzt blüht mir ein Garten
Kein Fleckchen liegt mir brach

Da pfleg ich manche Stunde
Zu meinem Zeitvertreib
Die Blumen der Rotunde
Ich und mein junges Weib

Da pflanz ich meine Rüben
Und mancher fährt vorbei
Und denkt sich der da drüben
Versteht doch mancherlei

Und ich denk: He du, bremse!
Mein Wechsel zieht so viel
Als einer an der Themse
Wir kommen all ans Ziel

Hermann Lingg, 1869
Gedichte, Band 2
Die Eisenbahn im Gedicht