Die Eisenbahn

Gleich ist’s den Philistern allen,
Was zu Markt die Zeiten bringen
In die Ohren muß es schallen
In die Augen muß es springen
Ihres Mundes Tor ist offen
Dort in bangen Mutterwehen
Schleicht die Neugier, schleicht das Hoffen
Rings umher auf tausend Zehen

Wie sie rechnen, wie sie sinnen:
Unsre Gelder – in Papieren,
Freunde, werden wir gewinnen?
Freunde, werden wir verlieren?
Fluch den Neuerungen, eifert
Jener mit erhitzter Wange
Grade meine Flur begeifert
Meine Saat, die Eisenschlange

Tobt ihr nun im gelben Fieber?
Möcht‘ es euch darnieder raffen!
Kleine Münzen sind euch lieber
Als des Geistes höchstes Schaffen
Regen ist euch eben Regen
Kiese sind euch eben Kiese
Doch im Regen träumt der Segen
und im Kies des Feuers Riese

Nur der Dichter steht im Bunde
Mit den Geistern, kann sie hören
Kann, ein Faust, aus jedem Hunde
Einen Geist herauf beschwören
Und nach neuen Welten tastet
Er mit jedem Herzensschlage
Baut, zerstört und baut – und rastet
Nicht, wie Gott am letzten Tage

Die Papiere – feilgeboten –
Steigen – Fallen, – o Gemeinheit
Mir sind die Papiere – Noten
Ausgestellt auf Deutschlands Einheit
Diese Schienen – Hochzeitsbänder
Trauungsringe – blankgegossen
Liebend tauschen sie die Länder
Und die Ehe wird geschlossen

Eisen! Du bist zahm geworden
Sonst gewohnt, mit wildem Dröhnen
Hinzuwettern, hinzumorden –
Ließest endlich dich versöhnen
Magst nicht mehr dem Tode dienen
Liebst am Leben festzuhangen
Und auf deinen spröden Schienen
Wird ein Hochzeitsfest begangen

Hört ihr brausen die Karossen?
Deutsche Länder sitzen drinnen
Halten brünstig sich umschlossen
Wie sie kosen, wie sie minnen!
Und des Glöckleins helles Klingen
Sagt uns, daß die Paare kamen,
Und die Wolkenpfaffen singen
Drauf ein donnernd dumpfes Amen

Rasend rauschen rings die Räder
Rollend, grollend, stürmisch sausend
Tief im innersten Geäder
Kämpft der Zeitgeist freiheitsbrausend
Stemmen Steine sich entgegen
Reibt er sie zu Sand zusammen,
Seinen Fluch und seinen Segen
Speit er aus in Rauch und Flammen

Karl Isidor Beck (1817 – 1879)
Die Eisenbahn im Gedicht