Volkstümliche Lieder der Deutschen (Vorwort)

Franz Magnus Böhme (in: Volkstümliche Lieder der Deutschen, 1895 - Vorwort)

Franz Magnus Böhme hat im Vorwort seiner bedeutenden Sammlung mit volkstümlichen Liedern dargelegt, wie sich aus seiner Sicht das volkstümliche Lied vom eigentlichen Volkslied unterscheidet – hierbei erwähnt er auch Gassenhauer, Flugblattlieder und ähnliche. Ohne seine Ansichten werten zu wollen, bilden diese doch die Grundlage für seine auch heute noch bedeutende Sammeltätigkeit und das Vorwort lässt Rückschlüsse darüber zu, was er als „minderrwertig“ gar nicht erst aufgenommen hat.

Was singt das Volk?

Auf diese Frage, welche für Volkserziehung und Kulturgeschichte sowie für Dichter, Komponisten und Literarhistoriker nicht gleichgültig sein kann, lautet die auf Beobachtung gestützte Antwort: das Volk singt nicht nur seine alten Lieder der Überlieferung von ungekannten Verfassern – Volkslieder im engeren Sinne – sondern daneben auch eine Menge von Liedern in der einfachen Art der Volkslieder, durch Kunstdichter verfaßt, deren Verfasser zumeist nachweisbar sind: das sind die sogenannten volkstümlichen Lieder oder Volkslieder im weiteren Sinne.

Außer diesen werden noch Gesänge von zweifelhaftem Werte gehört. die als Flugblätter „gedruckt in diesem Jahr“ auf Jahrmärkten verkauft, oder als Tingeltangelverse in Spielhallen, oder als Couplet in niederen Possen und Operetten gesungen wurden und auf diesen Wegen ins Volk eingedrungen sind. Diese modernen Gassenhauer haben hinsichtlich des Ursprungs mit dem Volksliede etwas gemeinsam, nicht aber deren Wert und Lebensdauer, glücklicherweise treten sie nur vorübergehend auf, und nachdem sie eine kurze Zeit Mode gewesen, verschwinden sie wieder.

Wir befassen uns hier mit den volkstümlichen Liedern. (Der Name ist nicht durch Hoffmann von Fallersleben aufgekommen, sondern schon 1835 vom Freiherrn von Erlach in seinen Volksliedern (V. Bd. S. 23) gebraucht.) So nennen wir die von bekannten oder unbekannten Dichtern und Komponisten verfassten Kunstgesänge, die wenig oder mehr verändert in den Volksmund übergingen und „Lieblingslieder“ geworden sind, ohne wirkliche Volkslieder zu sein. – Diese, von Gebildeten und Ungebildeten, gern gesungenen Lieder stehen in der Mitte zwischen Kunst- und Volkslied. Betrachten wir darum ihr Verhätnis zu beiden etwas genauer.

Das volkstümliche Lied enstammt den Kreisen der Gebildeten, ist aber nach Inhalt und Sprache in den allgemein verständlichen Ausdrücken und Wendungen abgefaßt und wird darum von den Massen gesungen. Diese ansprechenden Kunstdichtungen werden aber zu wirklichen Volksliedern, sobald das Volk sie in seiner Art „verarbeitet“ hat (davon weiter unten).

Wodurch unterscheidet sich das volkstümliche Lied vom echten Volkslied?

Das ist schwer zu bestimmen, zuweilen ganz unmöglich, weil die Frage „Was sind Volkslieder?“ unter die Vexirfragen gehört, der Begriff sehr dehnbar und eine Definition nicht in einigen Worten zu erschöpfen ist. Nach einer befriedigenden Definition habe ich vergeblich mich umgesehen. Eine landläufige Erklärung sagt: Volkslieder sind im Volke selbst entstandene, aus seinem Denken und Empfinden hervorgegangene. leicht singbare Lieder von ungebildeten (?), meist ungekannten (?) Verfassern und durch Überlieferung verbreitet. Daran ist viel auszusetzen. Die Lieder sollen im Volke entstanden (?) vom Volke verfaßt sein (?) – das muß erst umgeschrieben werden, wenn es Sinn haben soll.

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  • Joseph Haas (19. März 1879)

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    Joseph Haas wurde am 19. März 1879 in Maihingen im schwäbischen Ries als 3. Kind des dortigen Lehrers geboren. 1911 wurde er Lehrer für Komposition am Konservatorium in Stuttgart und nach dem ersten Weltkrieg 1921 an der Akademie der Tonkunst in München. brachten. Er komponierte Kammermusik, Lieder, Chorwerke und Orchesterwerken, Oratorien und Opern. Dazu gehören die beiden Opern „Tobias Wunderlich“ ... Weiterlesen ... ...