Die Jungfrau auf dem Schloß Parenstein in Mähren
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Auf dem Schloß Parenstein in Mähren ist vor Zeiten oft die Gestalt einer vornehmen Jungfrau erschienen, wie glaubwürdige Leute berichten und die Sage des Volkes bekräftigen. Als der Jesuit Pater Johannes Drachovius im Jahre 1626 in Böhmen die Bekehrung beinahe vollendet, ging er hinüber in das benachbarte Mähren, um auch dort die Leute zur katholischen Religion zurückzuführen.
So gelangte er in das Schloß Parenstein, erhielt dort eine gute Wohnung und fing an, als ein Mann, der die Aufsuchung von Merkwürdigkeiten liebte, gleich in den ersten Tagen seiner Ankunft, durch das Schloß zu gehen, bestieg die Türme, durchblickte die offen stehenden Gemächer und Zimmer, besah auch von der Höhe herab die ganze Umliegenheit.
Als er nun so gar emsig war, alles zu merken, was Merkens und Besehenswert, begegnete ihm endlich eine andere Merkwürdigkeit; denn es ging eine zierlich aufgeschmückte Jungfrau aus einem Gemach herfür, mit einem Bunde Schlüssel. Er, der sie für eine Hofdame oder Kammerjungfrau ansah, grüßte und redete sie freundlich an. Sie stand still, um sein Gewerbe anzuhören. Er sagte: er sei allhier angekommen, als ein Gast, die Untertanen in der katholischen Religion zu unterrichten; wolle deshalb auch ihr seine geistliche Aufwartung angeboten haben und an seiner Diensthaftigkeit nichts ermangeln lassen.
Sie, die Schöne, lächelte ihm hierauf überaus lieblich zu, mit einem gar züchtigen Blick, und, gleich als ob die Schamhaftigkeit ihr keine Gegenrede zuließe, neigte sie, anstatt der Antwort, sich gegen ihn, wie das Frauenzimmer pflegt, gar höflich und ehrerbietig; und ging damit also fort von dannen.
Nach Vergehung einiger Tage wollte dieser Pater eine Predigt tun; suchte derowegen, damit er seinen geschriebenen Aufsatz desto unverhinderter dem Gedächtniß einpflanzen könnte und ihn niemand in seinem Nachdenken störte, die Einsamkeit. Da erblickte er dieselbe Jungfrau abermal, und zwar in einer Sommerlaube, oder auf einem Gange, mit aufgelösten und ums Gesicht herum hängenden Haarlocken, welche sie, mit sonderbarem Fleiß, kämmte, aber, nach gleichsam unversehener Erblickung des Paters, alsofort hinterwärts auf den Rücken zurückwarf und sich zu erkennen gab.
Er, der gar ernsthafter Natur und allezeit für einen eifrigen Mann geachtet worden, gab ihr einen Verweis mit diesen Strafworten: »Ei, es schickt sich nicht, daß man am Sonntage gar zu viel auf das Schmücken und Putzen denke; besser, man bereite die Seel zur Anhörung göttliches Wortes durch ein andächtiges Gebet.« Sie tat, als begehrte sie ihm zu gehorchen, verbarg stracks den Kamm, legte die Hand auf den Mund, neigte das Haupt ganz ehrerbietig und ging damit hinweg.
Er stieg hernach hinunter und begab sich aus dem Schloß in die Kirche, welche ganz von weißem Marmor erbaut ist, verrichtete daselbst den Gottesdienst und legte die Predigt ab. Es gefiel ihm aber nicht, daß, ob er gleich überall in der Kirche die Augen herum gehen ließ, ihm doch besagte edle Jungfrau nicht zu Gesicht kommen wollte, gedachte, sie möchte etwa zur Römischen Religion keine Lust tragen, oder sonst, die Kirche oft zu besuchen, nicht gewohnt sein.
Darum, als er wieder aufs Schloß kam, klagte er darüber bei dem Schloßhauptmann, daß die Hausgenossen, welche andern billig mit gutem Exempel leuchten sollten, selbst davon blieben. Der Hauptmann fragte, was es für eine Jungfrau dann wäre, die er so verklagte, was sie für Gestalt und Kleidung und wo er sie vorhin gesehen hätte? Da kams heraus, daß das jungfräuliche Gespenst, welches von undenklicher Zeit im Schloß herumgeht, sich diesem Pater zu Gesicht gestellt hatte.
Anders als diesem frommen Mann ging es einen tollkühnen Knecht im Schlosse Parenstein. Dieser, als er gehört, daß eine Jungfrau trefflich schöner Gestalt sich bisweilen sehen ließe, schwur, er wolle selbiger Jungfrau, sobald sie ihm nur begegnete, einen derben Kuß recht auf den Mund geben, es möchte ihr nun lieb oder leid sein. Wie sehr ihm nun gleich die andern solches widerraten, und, was für Gefahr darauf stunde, treulich zu Gemüte geführt, hat er sich doch nichts daran gekehrt, sondern seinen vermessenen Vorsatz mit wiederholtem Eidschwur bekräftiget.
Nach wenigen Tagen begegnete ihm die Jungfrau, als er eben seine Haut tapfer voll gesoffen, worauf er ihr auch gleich in die Arme fiel, um ihr einen Kuß zu geben, welches sie auch, dem Ansehen nach, nicht ausschlug, aber nicht jungfräulich, sondern ihn so gar gröblich und hart umfaßte, daß sie durch solches Umfangen diesem unglückselichen Tollkühnen die Seele aus der Brust preßte.
Liederthema: Allgemein
Schlagwort: | Christianisierung |