Volkslieder und Volksreime aus Westpreußen (Vorwort)

Alexander Treichel (in: Volkslieder und Volksreime aus Westpreußen)

Etwa seit dem Jahre 1888 habe ich mir die Sammlung von Liedern aus dem Munde des Volkes angelegen sein lassen; ihre Anhäufung legte schließlich ihre Herausgabe nahe, die aber um der alsdann notwendigen Zerstückelung willen nicht in einer unserer volkskundlichen Zeitschriften hat erfolgen sollen. Das Gebiet ihrer Sammlung beschränkt sich auf das im westpreußischen Kreise Berent gelegene Dorf Hoch-Paleschken; doch entstammen die Nummer 33 und 98 aus Brünhausen im Kreise Putzig.

Es ist zu bemerken, daß sich mit einer Ausnahme kein Lied in plattdeutscher Mundart darunter befindet. Daß diese Lieder in Westpreußen entstanden sind, ist kaum für ein einziges Stuck zu behaupten, weil die angezogenen Parallelen den Beweis ergeben, daß sie ähnlich auch anderswo gesungen werden. Ihre Verbreitung ist weniger den wandernden Handwerksburschen zuzuschreiben als den Haussöhnen, die ihre Dienstzeit als Soldaten abmachen und dabei in anderen Gegenden und im Verkehr mit Angehörigen anderer Landesteile davon lernen, was gerade vorkommt, wenn es sich nur gut reimt und eine gefällige Melodie hat.

Einen weiteren Grund zur Verbreitung mögen die wohl in ganz Deutschland bekannten Druckblätter („Vier“ — „Sechs neue schöne Lieder“ und ähnlich betitelt), wie sie auch hier bei Jahrmärkten unter die Volksmenge zur Vertheilung gelangen, abgegeben haben, sowie zu einem Teile gedruckte Liederbücher fürs Volk. Aus solchen Gelegenheiten entstanden dann auch Niederschriften von Liedern, meist in verjährte Schulhefte eingetragen, namentlich bei den weiblichen Sängern; oft gehen auch diese Niederschriften von Hand zu Hand zur gleichen und fortgesetzten Übernahme. Gesungen werden diese Lieder, wenn Knechte und Mägde im Sommer mit Sense und Harke nach getaner Arbeit nach Hause gehen, wenn nach dem Abendessen zur Sommerszeit in kleineren Gruppen noch ein Spaziergang ins Freie (etwa auf die das Dorf schneidende Chaussee) beliebt wird, oder wenn man zu gleichem Zwecke am Sonntage auch den Nachmittag benutzt.

Von ihrem Vortrage bei abendlichen Versammlungen zur Winterszeit habe ich in unserer Gegend ebenso wenig gehört, wie von den letzteren selbst. Die Natur der Sache brachte es mit sich, dass nur Töchter älterer Dorfeinwohner oder Dienstboten des herrschaftlichen Hauses die eigentliche Quelle für jene Liederforschung abgegeben haben. Diese Quellen flossen reichlicher, als meine Tochter Anna Treichel die Befragung selber in die Hand nahm.

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