Gebt acht ich will euch etwas erzählen

Der Obersimmentaler in Amerika

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Gebt acht ich will euch etwas erzählen

Gebt acht, ich will euch etwas erzählen
von neuem Land Amerika
ich habe das schon lange gewollt
und habe es dann immer vergessen
Es ist jetzt bald ein Jahr
daß wir von euch Abschied genommen haben.

Als wir von euch weggingen
da hat es uns nicht wenig weh getan
wir sind vor Herzschmerz beinahe vergangen
bis wir von euch weg waren
danach sind wir bis Paris
und übers Meer, durch das Wasser

Ich muß euch zuerst noch etwas berichten
vom Meer und von den Wellen darauf
und was das manchmal anrichten kann
mit Leuten und Gütern obendrauf
Es hat mich manchmal gewundert
jetzt bin ich aus dem Wundern gekommen.

Es ist eine schaurige pfütze
wer es nicht gesehen hat, der glaubt es nicht
und tief ist es, daß man keinen Stein
tief auf den Boden lassen kann an einem langen Seil
Ihr könnt ein Jahr damit verbringen
ihr seht nur noch wenig davon

An den Himmel hoch und ins Wasser
da kann man schauen, wann immer es ist
Sonst sieht man nicht viel schöne Sachen
als ab und zu einen grossen Fisch
Und manchmal sind da Wellen gekommen
die das Schiff ganz zur Seite legten

Behüt uns Gott, wie hat es geschaukelt
als wenn es gleich durcheinander geht
Da hat man recht gesagt:“ Gott er waltet“
und dachte, es müsse gestorben sein
Ein Teil hat Ängste bekommen
und das Lachen hat es uns genommen

Fast alle, die auf dem Meer reiten wollen,
die werden krank die erste Stunde
das wackeln spürt man schon bei Zeiten
und kotzen muß man wie ein Hund
Mich selbst hat es tüchtig erwischt
ich habe meinen Teil erhalten

Kein Wunder, daß man manchmal
einmal hinausschaut über die Wand
und da so traurig steht und gähnt
und denkt, o käme doch Land
Langweilig ist es, das ist wahr
und macht das Heimweh sonderbar

Auf einmal an einem Morgen geschieht es
so sagen die, die es kennen, ihm
jetzt geht’s voran und ernsthaft geht es
mit uns zum neuen Ufer hin
Vor Freude wird es ihm schier bang
und auf einmal tönt es Land, Land!

Man sieht es nur im Blauen draussen
genau wie eine Wolke näher kommen
doch geht es nicht lange, so kann man wissen
daß es Land ist, man sieht die Hügel schon
Und gleich darauf hie und da ein Haus
Gottlob, jetzt hört das Schaukeln auf!

Man fährt geschwind in die Lücke (Bucht)
da wo das Meer nur noch klein ist
da bist an Land, du elendige Schachtel
Man packt sich fort, was hast, was gibt’s
Da steht man auf der neuen Welt
und sagt schon englisch „Very well!“

Man geht und schaut erst die Gegend
und auch die Städte an und hört die Leute
„Help yourself“; so sagt der Yankee
und hilf dir selber, denkt der Deutsche
Wer genug Geld hat, ist obenauf
wer kein’s hat ist hier „out“

Die meisten wollen immer gleich alles (frei übersetzt)
es gefällt ihnen nirgends richtig (?)
Das gute Land ist zu teuer
und die Leute sind schlecht
Zuletzt kauft man dann ein Stück mit Gestrüpp
und baut sich einen Sitz darauf

Das Bauen ist eine komische Sache
für die im Busch, die’s kaum vermögen
Man schleppt einen Haufen (Menge) Stämme
zusammen von etwa gleicher Länge
Danach bestellt an Leute für einen tag
und hebt die Stämme hoch und legt sie gerade.

Da braucht’s nicht mehr als Dach und Boden
zwei Fenster rein und auch eine Tür
und dann noch die Spalten (Ritzen) mit Erde verschmieren
sonst bläst der Wind dadurch
und hinterher noch einen Kamin
das wär’s

Neulich habe ich Schlangen, so was
ihr würdet es schön finden
in unserer Stube gefangen
Man verjagt sie nicht, es soll auch sein
das gewisse Leute extra
in ihrer Stube ein Nest haben.

Man hat hier Vieh und melkt und metzgert
man musiziert manchmal und langweilt sich
Man nimmt eine Axt und geht
und hackt im Wald an manchem grobem Baum
Er gibt euch Arbeit nicht zum Spass
hier mitten im Wald auf frischem Platz

Wenn das Vieh wegläuft, so muß man fluchen
das ist eine tausend_Teufel_Geschichte
Viel lieber möchte ich suchen gehen
bei euch auf der Allmend eure Kühe (Kleinvieh)
denn diese Allmend geht euch nach
von Grönland bis Mexiko

Es ist nicht so, wie viele Leute meinen
daß hier alles geradeaus geht
Wer es nicht haben will
ist oft auf seinem alten Platz (Meinung)
Doch fleißige Kerle, die würden ?
die kommen nur, wenn sie können.

Ob ihnen einer flocken bringen sollte
und noch ein Bündel Geld dazu
hier Kühe haben und eine Wiese dazu
der Schweizer Käse hat Wert (gilt) genug
Es wäre ein lustig Leben hier
für einen, der recht jodeln kann

Ihr solltet durchgucken können,
und selber sehen, wie es gerade ist
vielleicht würde es so viele gelüsten
und viele seufzen
Nein, nein, gewiß, wenn es sein muß
will ich lieber um meinen letzten Kreuzer kommen (verlieren)

Ich kann euch leider nicht recht raten
und sagen: Kommt – oder kommt nicht
Denn unser Leben ist ein Schatten
bis das wir in die Ewigkeit gehen
Dort finden wir einander schon
wenn’s Gott will, doch sicher und froh

Text und Musik: Verfasser unbekannt ca 1835 –

Der Pfarrer von Beatenburg zeichnete das Lied im Simmentaler Dialekt um die Mitte des 19. Jahrhunderts auf. Ein gewisser J. K. soll es 1835 aus Buffalo zurückgebracht haben; im Oberland werde es vielerorts gesungen. :

Liederthema:
Liederzeit: vor 1835 : Zeitraum:
Orte: ,

Anmerkungen zu "Gebt acht ich will euch etwas erzählen"

Vielen Dank an Max Burger aus Weyhe , der aus der Schweiz stammt und diesen Text freundlicherweise zu übersetzen versucht hat. Er schrieb mir dazu folgende Zeilen:

„Ich habe versucht, diesen alten Simmentaler Dialekt ins Deutsche zu übersetzen, dabei ist ein „pitchen – deutsch“ entstanden (ähnlich wie „pitchen – englisch) Auch mit Hilfe meiner Urschweizer – Kollegen konnten wir oft nicht die richtigen Worte finden. Da dieses Lied ca. 200 jahre alt ist, kann es schon sein, daß sich im Simmental auch sprachlich viel geändert hat.  Wird doch diese Gegend heute zum teil von Abkömmlingen von Raubrittern, Filmstars und anderen „Grossen“ bevölkert (Gstaad).“