Dreijähriger mit Gewehr (1915)

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Mutter hat Kopfweh. Sie will ein wenig ruhen und legt sich auf das Sofa. Leni ist ganz still. Sie bringt ihre Puppe zu Bett und setzt sich ruhig in ihren kleinen Stuhl neben den Puppenwagen. Nur die Uhr tickt noch ganz leise. Mutter schläft. Nun wird das Kopfweh bald vorüber sein, denkt Leni.. Auf einmal wird es draußen laut. Leni geht leise ans Fenster. Sie will sehen, wer auf der Straße Lärm macht. Das sind die Jungen. Die Schreihälse spielen Soldaten.
Ihr Bruder Franz ist der Hauptmann. Er hat alle Knaben zusammengeholt. Der kleine Georg hat eine Trommel vorgebunden und schlägt kräftig auf das Trommelfell. Hinter ihm her marschiert die Reihe mit Säbel und Gewehr. Aber die Säbel sind von Holz, und mit dem Gewehr kann keiner schießen. Aus Buntpapier haben sie sich Soldatenhüte gemacht. Leni winkt ihnen. Sie sollen ruhig sein, damit Mutter nicht aufwacht.  Aber sie merken es nicht. Sie schreien und trommeln immer weiter. Nun ist Mutter doch aufgewacht.
Sie steht hinter Leni und schaut zum Fenster hinaus. Die kleinen Soldaten ziehen vorüber. Aber wer marschiert da hinter ihnen her? Ob die Mutter den wohl kennt? Das ist ja ihr kleiner dicker Hans, der gestern drei Jahre alt geworden ist. Er hat sich einen Kochlöffel aus der Küche geholt. Den legt er wie ein Gewehr auf die Schulter. Und so wackelt er auf seinen kurzen, dicken Beinchen hinter den ändern her und singt, so gut er kann: „Lieb Vaterland, magst ruhig sein. Fest steht und treu die Wacht am Rhein!“ Ober diesen kleinen, dicken Soldaten muß Leni doch lachen. Und auch die Mutter freut sich über ihren kleinen Hans. Ihr Kopfweh hat sie vergessen.
in: Bremer Lesebuch , Zweites Schuljahr , Bremen 1915

Liederzeit: vor 1915 : Zeitraum:
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Geschichte dieses Liedes:

Zur Geschichte dieses Liedes:

Parodien, Versionen und Variationen: Dieses „deutsche Sturmlied“ (Böhme) hat Max Schneckenburger 1840 gedichtet, als in Deutschland ein Angriff von Frankreich auf das linke Rheinufer befürchtet wurde. Zahlreiche „Rheinlieder“ entstanden damals. Bekannt und beliebt wurde „Die Wacht am Rhein“ jedoch erst 1854 durch die Vertonung von Karl Wilhelm, Musikdirektor in Krefeld. Seitdem wurde das Lied von Männergesangsvereinen viel gesungen. Die größte Popularität erlangte es aber im Kriegsjahre 1870/71. Die „Wacht am Rhein“ wurde das Kriegslied der Deutschen und blieb Nationalgesang an den Gedenktagen. Der Komponist erhielt 1870 die goldene Medaille für Kunst und Wissenschaft... weiter lesen