Mutter hat Kopfweh. Sie will ein wenig ruhen und legt sich auf das Sofa. Leni ist ganz still. Sie bringt ihre Puppe zu Bett und setzt sich ruhig in ihren kleinen Stuhl neben den Puppenwagen. Nur die Uhr tickt noch ganz leise. Mutter schläft. Nun wird das Kopfweh bald vorüber sein, denkt Leni.. Auf einmal wird es draußen laut. Leni geht leise ans Fenster. Sie will sehen, wer auf der Straße Lärm macht. Das sind die Jungen. Die Schreihälse spielen Soldaten.
Ihr Bruder Franz ist der Hauptmann. Er hat alle Knaben zusammengeholt. Der kleine Georg hat eine Trommel vorgebunden und schlägt kräftig auf das Trommelfell. Hinter ihm her marschiert die Reihe mit Säbel und Gewehr. Aber die Säbel sind von Holz, und mit dem Gewehr kann keiner schießen. Aus Buntpapier haben sie sich Soldatenhüte gemacht. Leni winkt ihnen. Sie sollen ruhig sein, damit Mutter nicht aufwacht. Aber sie merken es nicht. Sie schreien und trommeln immer weiter. Nun ist Mutter doch aufgewacht.
Sie steht hinter Leni und schaut zum Fenster hinaus. Die kleinen Soldaten ziehen vorüber. Aber wer marschiert da hinter ihnen her? Ob die Mutter den wohl kennt? Das ist ja ihr kleiner dicker Hans, der gestern drei Jahre alt geworden ist. Er hat sich einen Kochlöffel aus der Küche geholt. Den legt er wie ein Gewehr auf die Schulter. Und so wackelt er auf seinen kurzen, dicken Beinchen hinter den ändern her und singt, so gut er kann: „Lieb Vaterland, magst ruhig sein. Fest steht und treu die Wacht am Rhein!“ Ober diesen kleinen, dicken Soldaten muß Leni doch lachen. Und auch die Mutter freut sich über ihren kleinen Hans. Ihr Kopfweh hat sie vergessen.
in: Bremer Lesebuch , Zweites Schuljahr , Bremen 1915
Dreijähriger mit Gewehr (1915)
Liederzeit: vor 1915 :
Zeitraum: 1914-1918 Erster Weltkrieg
Orte: Bremen, Rhein
Geschichte dieses Liedes: Die Wacht am Rhein