Wie schön ists im Freien
Bei grünenden Maien
Im Walde wie schön
Wie süß sich zu sonnen
Den Städten entronnen
Auf luftigen Höhn

Wo unter den Hecken
Mit goldenen Flecken
Der Schatten sich mischt
Da läßt man sich nieder
Von Hasel und Flieder
Mit Laubduft erfrischt

Drauf schlendert man weit
Pflückt Blumen und Kräuter
und Erdbeer n im Gehn
Man kann sich mit Zweigen
Erhitzet vom Steigen
Die Wangen umwehn

Dort heben und tunken
Gleich blinkenden Funken
Sich Wellchen im Bach
Man sieht sie verrinnen
In stillem Besinnen
Halb träumend halb wach

In weiten Bezirken
Mit Hangenden Birken
Und Buchen besetzt
Gehn Damhirsch und Rehe
In traulicher Nähe
Von Niemand gehetzt

Am schwankenden Reisig
Hängt zwitschernd der Zeisig
Vor Schlingen nicht bang
Erfreut ihn zu hören
Sucht keiner zu stören
Des Hänflings Gesang

Hier sträubt sich kein Pförtner
Hier schnörkelt kein Gärtner
Kunstmäßig am Hain
Man braucht nicht des Geldes
Die Blumen des Feldes
Sind allen gemein

Wie schön ist im Freien
Despoten entweihen
Hier nicht die Natur
Kein kriechender Schmeichler
kein lästernder Heuchler
Vergiftet die Flur

Text: Johann Gaudenz Freiherr. von Salis-Seewis . „Lied im Freien“, zuerst in Vossischer Musenalmanach . 1792 S. 18—20
Musik: Melodie von C F. G. Schwenke , ebenfalls Mel. von Ludw. Aemil Kunzen zuerst in Karl Spaziers Melodien zu Hartungs Liedersammlung . Berlin 1794 Nr. 62, dann in den Mel. zum Mildheimer Liederb. Nr. 493,  Erk , Liederkranz I. Heft Nr. 39; Fink , Hausschatz Nr. 250., auch vertont von Robert Götz als Kanon ( nur erste Strophe )
u.a. in Als der Großvater die Großmutter nahm (1885) – Nun lasset uns singen (Robert Götz-Vertonung)