War wohl je ein Mensch so frech (Bürgermeister Tschech)

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War wohl je ein Mensch so frech
wie der Bürgermeister Tschech
Denn er traf auf ein Haar
unser teures Königspaar
Ja, er traf die Landesmutter
durch den Rock ins Unterfutter

Kaum die Uhr noch war halb achte
als noch Niemand Böses dachte
Ist ein Mann im grauen Mantel
durch das Schloßportal gewandelt
Dies war Tschech der Hochverräter
Königsmörder Attentäter

Ach, es hat der Bösewicht
unsern Gott im Herzen nicht
Pocken hat er im Gesicht
sonsten sah man Böses nicht
Friedrich Wilhelm kam heraus
sah noch ganz verschlafen aus

Tschech zieht ein Pistol hervor
trifft den König fast ans Ohr
Doch es packt ihn ein Gendarme
an dem frevelhaften Arme
und man keilt den Wüterich
auf der Stelle fürchterlich

Als der König ihn erblicket
von Gendarmen rings umstricket
zeigt er plötzlich viel Courage
und spricht schnell zur Equipage:
„Auf dem Schloßplatz halt man still
weil das Volk mich sehen will“

Dauf dreht er sich um und spricht:
„Kinder, ich hab nischt gekriegt!
Dick und fett, ihm fehlte wenig
alles brüllt: es leb der König
aber wo war Dunker hin?
Dunker, der war in Stettin

Dunker hätte sonst erraten,
daß man wollte attentaten
wär er in Berlin gewesen
würd man dieses jetzt nicht lesen
Hier die Moral zu dem Gedicht
traut keinem Bürgermeister nicht

Text: Verfasser unbekannt, nach J. Scherr in : „Das enthüllte Preußen“, 1845
Musik: nach dem Festmarsch „Kriegers Lust“ von J. Gungl

Das ist die gleiche Melodie wie bei „Als die Römer frech geworden“ , das bis etwa 1900 auf eine andere Melodie gesungen worden war und dann immer mehr nach dem Bürgermeister-Tschech-Lied gesungen wurde. ( ausführliche Darstellung der Liedgeschichte)

Ein moritatenähnliches Lied auf das Attentat, das der ehemailge Storkower Bürgermeister Tschech am 26. Juli 1844 auf das preußische Königspaar verübte . Trotz polizeilichen Verbots große Resonanz und Verbreitung des Liedes, (zunächst nur in im Ausland gedruckten Büchern) , erwiesen durch zahlreiche Varianten und zeitgenössische Zeugnisse – seit 1886 auch in sozialdemokratischen Liederbüchern – mündliche Tradition in der Arbeiterbewegung – Dunker war ein bekannter Polizeirat unter Wilhelm IV.

Liederthema:
Liederzeit: vor 1844 : Zeitraum:
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Geschichte dieses Liedes: ,

Zur Geschichte dieses Liedes: ,

Parodien, Versionen und Variationen: „Als die Römer frech geworden“ ist ein satirischer Liedtext von Victor von Scheffel, den er 1847 aus Spott über den damaligen Hermannskult verfasste. Das Lied von den frechen Römern wurde ursprünglich auf ein älteres Lied gesungen: “Als die Hussiten zogen vor Naumburg”. Erst seit etwa 1900 wurde das Lied nach der Melodie des lange Zeit verbotenen Liedes vom Bürgermeister Tschech und dem Attentat auf das preußische Königspaar populär, das wiederum auf “Kriegers Lust , Fest – Marsch” , von Josef Gungl (1810 – 1899), gesungen wurde. Diese Melodie war so beliebt, dass zahlreiche neue Texte darauf... weiter lesen

Abweichungen im Text

in: Deutsche Brüsseler Zeitung (1847, ähnlich wie oben, mit unten angegebenem Schluß) — Der Gukkasten (Schweiz , 15. Mai. 1847, auch mit dem anderen Schluß) —  Die Gassenhauer seit 100 Jahren (1896) — Steinitz II (1962) — Mutter der Mann mit dem Koks ist da (1977)

„Aber Leute . hört einmal
von dem Liede die Moral
hatte je ein Mensch so´n Pech
wie der Bürgermeister Tschech
daß er diesen dicken Mann
auf zwei Schritt nicht treffen kann?“

(Dieser Schluß in: Deutsche Brüsseler Zeitung , 1847. Außerdem noch zwei zusätzliche Zeilen 7 u. 8.: Ein Verschwender war der Mann / zwei Schuß Pulver wandt´ er dran“)

Böhme hat in „Die Gassenhauer seit 100 Jahren“ noch zwei Varianten auf den Schluß der ersten Strophe: „Denn er schoß in seiner Wut / unserm König durch den Hut“ und „Denn er schoß in seiner Hitze / unserm König durch die Mütze“) – in: Liederbuch für das arbeitende Volk (1891, 2. Auflage)