Liederlexikon: Suse liebe Suse

| | 2016

Von Suse , Ninne und Susaninne (Susani)

Manche in Kinderliedern vielfach vorkommende Ausdrücke sind aus dem Mittelalter überliefert, darum längst nicht mehr verstanden und verkehrt angewendet worden. Dazu gehören zunächst die Worte SUSE und NINNE . Suse (susa , sause ) ist der Imperativ von susen, das heißt WIEGEN , durch Wiegen ein Kind einschläfern. ( Vilmar – hessisches Idiotikon ) Nach Grimm ( Wörterbuch VIII 1832) soll sausen = leise singen, summen heißen. Woher das Wort kommt, ist noch nicht aufgeklärt.

Dr Birlinger ( Wundernhorn II. 726) erklärt susen für wiegen und Ninne für kleines Kind, italienisch Ninna. Letzteres wird für manche Lieder passen, widerspricht aber anderen Erklärungen. Denn Ninne heißt in Schlesien die Wiege (nach Bibra , Journal von und für Deutschland 1788. I. 334) Auch in Böhmen bezeichnet Ninne und Nunne die Wiege. Das zusammengesetzte Worte Susaninne für ein Liedchen, mit welchem man die Kinder zum Schlaf bringt, ist schon bei Luther 1535 in dem Weihnachtsliede „Vom Himmel hoch“ gebraucht, darin Str. 14 heißt:

Davon ich allzeit fröhlich sei
zu springen, singen immer frei
das rechte Susaninne schon
mit Herzen-lust den süßen Ton

In einem westfälischen Kinderwiegenliede (zum Christfest in Kirchen gesungen) das aus dem 14. Jahrhundert stammen mag und uns erhalten ist in der Handschrift der Nonne Katharina Tiers (vom Jahr 1588 – siehe Liederhort III 644 : Quem nunc virgo peperit = Den geboren hat ein Magd) heißt der Refrain:

Verla zuzuzu, verla zuze ninno
(deutsch daneben:) Sose, soes, soes, soes, schlaf mein liebes Kindelein!

Ein jüngeres geistliches Wiegenlied (Paderborner Gesangbuch 1617) beginnt:

Ein Kind geboren zu Bethlehem
Eia, eia! Susani , susani, sus, sus!

In einem Weihnachtspiele des 15. Jahrhunderts ( Vilmar , Idiotikon zum Artikel suse) kommt vor:

ich wel (will) es legen in die wiege
und wel im singen: süße liebe ninne

Der Refrain in einem niederländichen geistlichen Liede des 15. Jahrhunderts (Ons ghemaket die aventstar) das Hoffmann Hor. Belg. II, I, Ausgabe S. 21 mitteilt, heißt:

Waet was haer doe
Susa ninna susa noe (nun)
Jesus minne sprac Marien to

Eine allgemein zutreffende Erklärung für suse ist nicht gefunden. Um nur etwas Sinn in die Wiegenlieder zu bringen, wird man also das Wort bald mit „Wiegen“, bald mit „Schlafen“ erklären., bald an die heutige Bedeutung des Wortes „sausen“ denken müssen. Das Richtige scheint mir zu sein, daß man für die Schallwörter in den Wiegenliedern (sus, susa, zuzu, susu, use, sause, bsch bsch, nünü, nine, ninna, hunne, trulle, schu schu, busse busse, heia, wiwi etc…) gar keine Erklärung fordern soll, da sie doch unerklärbar sind und zuletzt alle das sanftsüße, säuselnde Tönen und Summen zum Einlullen des Säuglings (niederdeutsch: „Nünne“) bezeichnen.

Vergleiche auch: Heia und Popeia

Franz Magnus Böhme in “ Deutsches Kinderlied und Kinderspiel “ – 1895