Liederlexikon: Maikäfer flieg

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Maikäfer flieg – vermutlich seit dem 30jährigen Krieg (1618-1648) bekanntes Kinderlied, bei dem der Vater im Krieg ist und die Mutter im abgebrannten Pommernland. Gleiche Melodie wie „Schlaf Kindlein Schlaf

Dieses Lied wurde womöglich schon während des 30jährigen Kriegs gesungen. Erstmals schriftlich aufgezeichnet wurde es um 1800 von dem Halberstädter Schuldirektor, Konsistorialrat und Sagensammler Johann Karl Christoph Nachtigal als „Maykäfer-Liedchen, das man in Niedersachsen u.s.w. im May und Julius von den den Maykäfern scharenweise nachlaufenden Kindern aus den untern Volksklassen, alle Abende tausendmal wiederholt hören kann: „Maykäfer, flieg! Der Vater ist im Krieg. Die Mutter ist im Pommerland. Und Pommerland ist abgebrannt.“

Wilhelm, der jüngere der Brüder Grimm, zeichnet 1808 eine Variante mit Marienkäfern auf: „Marienwürmchen, fliege weg, fliege weg! dein Häuschen brennt! die Kinder schrein!“

Solche Aufzeichnungen sind ungewöhnlich, denn die gelehrten Schulrektoren und Liedersammler haben die Lieder der „unteren Volksklassen“ meist umgedichtet, verfälscht oder gar nicht erst zur Kenntnis genommen. Lieder, in denen der Alltag der Menschen beschrieben wird, aber auch Aufstände, Flucht und Krieg. Viele Lieder sind so verloren gegangen, das Maikäferlied aber wurde jahrhundertelang von Kind zu Kind weiter gesungen.

Das hat unter anderem den Grund, daß keine Generation ohne die Schrecken des Krieges lebte, den Verlust von Eltern und Heimat. Aber es hat auch zu tun, mit dem was Menschen mit Maikäfern taten. Alle dreissig bis vierzig Jahre gab es grosse Maikäferplagen, so zB 1868 in grossen Teilen Europas, wo allein in Sachsen rund 1,6 Milliarden Käfer gesammelt und vernichtet wurden. Ganze Schulklassen wurden unter Führung ihrer Lehrer dafür abgeordnet. Mit Geldprämien förderte man die Aktionen zusätzlich. Das Sammeln geschah am besten frühmorgens, wenn die Tiere von der nächtlichen Kühle erstarrt und vom nächtlichen Fressen träge waren. Noch bis Mitte des 20. Jahrhunderts wurden Maikäfer nicht nur als Hühnerfutter genutzt, sondern fanden auch in der Küche Verwendung. In Frankreich und Teilen Deutschlands wurden sie geröstet und zu Maikäfersuppe verarbeitet.

Bei einer Maikäferplage im Jahre 1911 wurden auf einer Fläche von etwa 1800 Hektar rund 22 Millionen Käfer gesammelt.

Dort, wo in Berlin-Mitte seit fast einem Jahrzehnt die neue Zentrale des deutschen Geheimdienstes errichtet wird, stand von 1851 an bis kurz nach dem Zweiten Weltkrieg die Maikäfer-Kaserne. Hier sang im April 1915 Hans Leip erstmals sein „Lili Marleen“ und die Berliner Kinder im Vorübergehen „Maikäfer Flieg – dein Vater ist im Krieg“.


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