Leise tönt die Abendglocke,
Die Natur, sie geht zur Ruh!
Vöglein singen Abschiedslieder,
Sonne sank nach Westen zu.

Durch das Kloster wandelt leise
Eine Nonn´ in schwarzer Tracht,
Betet für den armen Krieger,
Der verwundet in der Schlacht

Horch, was klopft jetzt an die Pforte?
ein alt Mütterlein tritt ein:
spricht: „Mein Sohn liegt hier verwundet,
möchte seine Pflegerin sein“

„Arme Mutter“, spricht die Nonne,
„Euer Sohn, der lebt nicht mehr,
Eben hat er ausgelitten,
Seine Leiden waren zu schwer“

Beide Beine abgeschossen
und dazu die rechte Hand
womit er so treu gefochten
für sein teures Vaterland

Und die Mutter tritt ans Bette,
Zieht das Leichentuch herab
Einen Schrei, und sie sank nieder.
Gräber, grabt für zwei ein Grab.

Verfasser unbekannt , aus dem 19. Jahrhundert
in: Albvereins-Liederbuch (ca. 1900, ausgabe 1927) — Wie´s klingt und singt (1936) — Weltkriegs-Liedersammlung (1926)

Andere Fassung in Albvereins-Liederbuch:

Leise tönen Abendglocken
Die Natur senkt sich zur Ruh!
Vöglein singen Abschiedslieder,
Sonne sank dem Westen zu.

Einsam wandelt durch das Kloster
Eine Nonn´ im schwarzen Kleid
Betet für den braven Krieger
Der verwundet ist im Streit

Leise klopft es an die Pforte?
ein alt Mütterlein tritt ein:
spricht: „Mein Sohn liegt hier verwundet,
möcht so gern seine Pflegerin sein“

„Teure Mutter“, sprach die Nonne,
„Euer Sohn, der lebt nicht mehr,
Eben hat er ausgelitten,
Seine Wunden waren schwer“

Beide Beine sind zerschossen
und dazu der rechte Arm
dafür hat er treu gefochten
für sein Vaterland so warm

Tritt die Mutter in die Kammer
schlägt das Leichentuch herab
Einen Schrei, und sie sinkt nieder.
Gräber grub für zwei ein Grab