Es liegt ein Schloß in Österreich

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Es liegt ein Schloß in Österreich

Es liegt ein Schloß in Österreich
das ist ganz wohl erbauet
von Silber und von rotem Gold
mit Marmorstein gemauert

Darinnen liegt ein junger Knab
auf seinen Hals gefangen
wohl vierzig Klafter tief unter der Erd
bei Ottern und ber Schlangen

Sein Vater kam von Rosenberg
wohl vor den Thurm gegangen
Ach Sohne liebster Sohne mein
wie hart liegst du gefangen

Ach Vater liebster Vater mein
so hart lieg ich gefangen
wohl  vierzig Klafter tief unter der Erd
bei Ottern und bei Schlangen

Sein Vater zu den Herren sprach
Gebt mir los den Gfangnen
dreihundert Gulden die will ich euch gebn
wohl für des Knaben sein Leben

Dreihundert Gulden die helfen euch nicht
der Knabe der muß sterben
er trägt von Gold eine Kett am Hals
die bringt ihn um sein Leben

Trägt er von Gold eine Kett am Hals
die hat er nicht gestohlen
hats ihm ein zart Jungfräulein verehrt
dabei sie ihn erzogen

Man bracht den Knaben wohl aus dem Thurm
gab ihm die Sakramente
Hilf reicher Christ vom Himmel hoch
es geht mir an mein Ende

Man bracht ihn zum Gericht hinaus
die Leiter mußt er steigen
Ach Meister lieber Meister mein
laß mir eine kleine Weile

Eine kleine Weile laß ich dir nicht
du möchtst mir sonst entrinnen
langt mir ein seiden Tüchlein her
daß ich ihm seine Augen verbinde

Ach meine Augen verbinde mir nicht
ich muß die Welt anschauen
ich seh sie heut und nimmermehr
mit mein schwarzbraunen Augen

Sein Vater beim Gerichte stund
sein Herz wollt ihm zerbrechen
Ach Sohne liebster Sohne mein
dein Tod will ich schon rächen

Ach Vater liebster Vater mein
mein Tod sollt ihr nicht rächen
bringt meiner Seelen ein schwere Pein
um Unschuld will ich sterben

Es ist nicht um das Leben mein
noch um mein stolzen Leibe
es ist um meine Frau Mutter daheim
die weinet also sehre

Es stund kaum an den dritten Tag
ein Engel kam vom Himmel
sprach Nehmt den Knabn vom Gerichte ab
sonst wird die Stadt versinken

Es stund kaum an ein halbes Jahr
der Tod der ward gerochen
es wurden an dreihundert Mann
ums Knaben willen erstochen

Wer ist der uns das Lied erdacht
gesungen auch zugleiche
Das haben gethan drei Jungfräulein
zu Wien in Österreiche

Text und Musik: Verfasser unbekannt
in: Neue Sammlung deutscher Volkslieder (1841, I, Nr. 15 „Ballade“, Melodie aus Schlesien“) — Deutscher Liederhort (1856)

Obige Melodie wurde 1842 von Ludwig Erk aufgeschrieben. Veröffentlicht hat das Lied zuerst Hoffmann von Fallersleben in „Schlesische Volkslieder“.  Zu diesem Lied gibt es einige Varianten, textlich und melodisch. Erk führt im Deutschen Liederhort (1856, Nr. 6a) eine weitere, 17-strophige Variante von 1606 an. Vergleiche dazu auch hier im Archiv „Das Blutgericht“ , das auf die gleiche, erste Melodie gesungen wird. Rosenberg bezeichnet nach Erk  wahrscheinlich das in Böhmen an der Mulde unfern der österreichischen Grenze gelegene Städtchen dieses Namens.

Liederthema: ,
Liederzeit: vor 1600 : Zeitraum:
Orte: ,
Geschichte dieses Liedes:

Zur Geschichte dieses Liedes:

Parodien, Versionen und Variationen: „Es liegt ein Schloß in Österreich“ ist ein Volkslied aus dem 16, Jahrhundert, das von einem gefangenen jungen Mann erzählt, der am Galgen sterben muß. Sein Vater bitten den „Herren“ um Gnade, der sich aber nicht erweichen lässt. „Sein Vater kam von Rosenberg wohl vor den Thurm gegangen…“.  Rosenberg bezeichnet nach Erk wahrscheinlich das in Böhmen an der Mulde unfern der österreichischen Grenze gelegene Städtchen dieses Namens. Der Sohn wird gehängt, weil er eine goldene Kette gestohlen haben soll, die ihm aber eine junge Frau aus Liebe geschenkt hat. „Trägt... weiter lesen

Anmerkungen zu "Es liegt ein Schloß in Österreich"

Quelle des Gedichts: Denkmäler altdeutscher Dichtkunst. Beschrieben und erläutert von Johann Joachim Eschenburg, Bremen 1799, gr 8 S, 446 – 449. Als Einleitung zu vorstehendem Liede gibt E. folgende Notiz:

Eins von drey Newen Weltlichen Liedern, die im Jahr 1617 auf einem halben Bogen sehr schlecht und in eben der Gestalt gedruckt sind, wie man dergleichen noch jetzt auf Messen und Jahrmärkten herumzutragen, abzusingen und zu verkaufen pflegt. Der Inhalt ist wie bei solchen Liedern gemeiniglich eine klägliche Mordgeschichte,  aber der natürliche und mitunter naive Ton der Erzählung scheint mir dieses Lied der Aufbewahrung würdig zu machen. In dem „Ausbund schöner Teutscher Liedlein,  zu singen und auf allerlei Instrument zu gebrauchen (Nürnberg 1552, längl 8) finde ich im Register des 2 Teils ein Lied angezeigt, das gleichfalls mit den Worten „Es liegt ein …“ anfängt. Da ich aber von dieser musikalischen Sammlung nur die Diskantstimme in Händen habe und diese die erste Zeile nicht mitsingt so finden sich hier nur die 3 letzten Zeilen der 1. Strophe, die mir sehr das Ansehen einer Parodie auf nachstehendes (obiges!) Lied haben. Wäre dies, so würde dieses letztere dadurch fast um 100 Jahr älter als der oben angezeigte Abdruck. Jene 3 Zeilen heißen:

Das ist gar wohl erbawet
Von Zimmet vnd von Negelein
Wo findt man solche Mauren

So weit Eschenburg.  Vergl auch H. Ch. Boje’s Deutsches Museum, Leipzig 1776 (gr 8) Bd I, S. 400 bis 402. In Schlesien, im Brandenburgischen und in der Niederlausitz kommt das vorstehende Lied unte folgender für die Melodie sehr geeigneten Lesart vor.

"Es liegt ein Schloß in Österreich" in diesen Liederbüchern

Deutscher Liederhort (1856) — Volkslieder und Volksreime aus Westpreußen (1895, gekürzt, 600 Gulden)