Der Römeradler hielt den Rhein
in seinen starken Fängen,
und Kaiser Probus baute Wein
an allen Bergeshängen.
Es streckten nach dem Schwerte
die Hand die Deutschen aus
und brummten in die Bärte:
„Naus, ´naus, naus!“

Da sprach mit List die weise Frau
beim Fest der Sonnenwenden:
„Geduld! Lasst erst den Rebenbau
das Römervolk vollenden.
Füllt süsser Most die Schläuche
mit gärbendem Gebraus,
dann, Kinder, werft die Gäuche:
‚Naus, ’naus, naus!“

Des weisen Weibes Runenreim
behagte bass den Leuten.
Sie tranken aus und gingen heim
zu ihren Bärenhäuten.
Es schlief jedweder Brave
den Sonnenwendrausch aus
und lallte noch im Schlafe:
„Naus, ’naus, naus!“

Sie dämpften ihren Heldenzorn
sie jagten, tranken, träumten,
bis dass in Schlauch und Wisenthorn
des Weibes Wellen schäumten.
Das Horn ging um im Kreise
beim nächsten Jubelfestschmaus
zur wilden Schlachtenweise:
„Naus, ’naus, naus!“

Die Deutschen schon am nächsten Tag
das Rachewerk begannen.
Was ihren Schwertern nicht erlag
im Eilmarsch zog von dannen
Herrn Cajus und Herrn Titus
erfasste kalter Graus
beim Dröhnen des Barytus:
„Naus, ’naus, naus!“

Vom Feinde lernst du jederzeit
auch noch in unsern Tagen;
doch macht der Feind bei dir sich breit
dann fasse ihn am Kragen,
dann wahre nicht dein Hausrecht
und wirf ihn aus dem Haus
selbst oder mittels Hausknecht
„Naus, ’naus, naus!“

Musik: Valentin Eduard Becker (1814-1890)
Text: Rudolf Baumbach  (1840 – 1905)
in “ Allgemeines Deutsches Kommersbuch “  1923