Das ganze Dorf versammelt sich (Liebesklage eines Bauern)

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Das ganze Dorf versammelt sich (Liebesklage eines Bauern)

Das ganze Dorf versammelt sich
zu Kirmestanz und Reihen
es freut sich alles aber mich
kann fürder nichts erfreuen

Für mich ist Spiel und Tanz vorbei
das Lachen ist vorüber
ich hasse Lieder und Schallmei
und Klagen sind mir lieber

Denn ach mein Hannchen fehlet mir
nie kann ich sie vergessen
ich weiß zu gut was ich in ihr
für einen Schatz besessen

Unschuldig war sie wie ein Lamm
that niemand was zu Leide
und lebte fromm und tugendsam
zu aller Menschen Freude

Sie hatte Wangen voll und rund
und sanfter noch als Pfirschen
ein blaues Aug und einen Mund
der röter war als Kirschen

Man konnte sah sie einen an
die Blicke kaum ertragen
und wenn sie lachte mußte man
die Augen niederschlagen

Wie bin ich neulich noch mit ihr
am Maientag gesprungen
Bis an den Abend tanzten wir
und schäkerten und sungen

Da nahm sie meinen Hut und wand
als ich den Kehraus machte
um ihn ein pappelgrünes Band
und gab ihn mir und lachte

O Gott wer hätte da gedacht
als ich den Engel küßte
daß ich so bald die grüne Tracht
in schwarze wandeln müßte

Nun darfst du liebes Band um mich
nicht mehr im Winde rauschen
herunter nehmen muß ich dich
und gegen Flor vertauschen

Den Gottesacker will ich mir
zum liebsten Platz erwählen
und jeden Abend mich zu dir
du liebes Hannchen stehlen

Will da dein Grab mit Majoran
und Maßlieb übersäen
ein schwarzes Kreuz mit Reimen dran
soll in der Mitte stehen

Ein Totenkranz soll an der Wand
in unsrer Kirche prangen
und unten dran das grüne Band
zum Angedenken hangen

In jeder Predigt sitz ich dann
dem Kranze gegenüber
seh ihn mit nassen Augen an
und Härme mich darüber

Bis endlich wenn es Gott gefällt
es meinem Wunsch gelinget
und er mch auch aus dieser Welt
zu meinem Hannchen bringet

Text: Johann Martin Miller (Pfr) (1773)
Musik: Komponist unbekannt, Melodie bei Fink (Hausschatz S 15)
in Als der Großvater die Großmutter nahm (1885)

Zuerst im Göttinger Musenalmanach für 1773, mit der Unterschrift L. „Das Lied wird längst nicht mehr gesungen, nur als Sprichwort hat sich der Anfang der 2 Strophe erhalten“ (Volkstümliche Lieder der Deutschen, 1895)