Liederlexikon: Wiegenlieder für gute deutsche Mütter

| | 1798

WiegenliederJohann Friedrich Reichardt :  Wiegenlieder für gute deutsche Mütter. Leipzig, 1798, gedruckt bei Gerhard Fleischer dem Jüngern . In der Vorrede von Johann Friedrich Reichardt  heißt es.
„Gute deutsche Mütter stillen und pflegen ihre Kindlein selbst und singen sie wohl gerne selbst in den Schlaf. Darum hab` ich bei der Wahl dieser Wiegenlieder eben so viel an die zartlichen und verständigen Mütter, als an die Kindlein gedacht. Die kleinen Schreier und Gaukler in der Wiege bedürfen nur einer sanften einlullenden Melodie, und die muss ein Wiegenlied immer haben, wes Inhalts die Verse auch sein mögen. Die Sängerinn an der Wiege will aber auch zugleich wach dabei bleiben und angenehm unterhalten sein. Für diese ist manches Lied in der kleinen Sammlung, das mancher Leser eben nicht für ein eigentliches Wiegenlied halten möchte, das die Sängerin aber gerne auch dafür annehmen wird.
Diese wird es auch nicht befremden, dass die Lieder keine Ueberschriften zur Bezeichnung der Bewegungen und keine Anleitung zu Abänderung der Stärke und Schwäche im Vortrage enthalten. Sie wird bald fühlen, dass alle diese Lieder, um ganz das zu sein, was sie sein sollen, in mässiger, auch wohl langsamer Bewegung und mit sanfter halber Stimme gesungen sein wollen. Mit raschen rumpelnden Bewegungen und lauter schreiender Stimme kann eine unverständige leidenschaftliche Amme ein unruhiges Kind wohl betäuben und zum Schlaf zwingen wollen. Eine gute zärtliche Mutter, die wohl fühlt und weiss, dass nur sanfte Bewegungen und milde Töne einem zarten Kinde die Ruhe geben, die nicht nur gedeihlichen Schlaf, sondern auch einen wohltätigen Ton dem künftigen Leben verleihen können, die wird nie den sanften Ton verfehlen, in welchem sie sich, den Blick aufs zarte Kind geheftet, selbst nur wohl fühlt.
Freilich kann man auch bei dem aufmerksamen Kinde, das sich schon gerne mit seiner Puppe unterhält, durch ein angenehmes Lied, womit das Kind seine Puppe einsingt, manches gute Gefühl erwecken, manche gute Lehre eindringender machen, und ich denke es fehlet dieser Sammlung auch an solchen Liedern nicht. Alle diese Lieder aber können auch sehr wohl beim ersten Clavier- und Singunterricht benutzt werden, zu dem mir für Kinder überall nichts zweckmässiger scheinet, als leichte fassliche Lieder, deren Weisen dem Charakter und Bau der Verse ganz angemessen sind, und für sich eine gute Melodie mit reiner harmonischer Begleitung haben.“