Ach wer will hören singen – zwei Schwestern

Volkslieder » Balladen »

Ach wer will hören singen
ein Lied in dieser Frist
Von wunderlichen Dingen
in Holland gschehen ist

Von zwei Schwestern mit Sitten
die ein Reich wollt verstahn
die Arme tät sie bitten
aber sie hats nicht tan

Die Arme hätt sechs Kinder
die litten Hungersnoh
sie hatt ihr mehr noch minder
ihr frommer Mann war tot
Die Kinder weinten sehre
die Mutter kunnts nit lahn
die ruft zu Gott dem Herren
daß er ihr wöllt beistahn

Die Nachbauren geleiche
sprachen mit gutem Bscheid
Eur Schwester ist gar reiche
geht hin klagt euer Leid

eur Not tut die ihr klagen
darzu euren Gebrech
Ach nein täte sie sagen
mein Schwester ist zu frech

Noch tät sie laufen eben
zur Schwester in die Stadt
obs ihr ein Brot wollt geben
um Gotts willen sie bat

Willt mir kommen zu Steure
mein Schwester in der Not
ich hab sechs Kinder beim Feure
drei Tag aßens kein Brot

Als die Reich an den Orten
hört richt sies tapfer aus
und sprach mit frechen Worten
Ich hab kein Brot im Haus

Heißt man mich schon die Reiche
und hält mich auch darfür
ich schwör bei Gott geleiche
hab keins in meiner Tür

Hab ich Brot groß noch kleine
beim Herren schwur sie sehr
Gott geb daß es werd Steine
macht der Wort noch viel mehr

Die Arme weinet sehre
ging zu den Kindlein klein
Was tät hie Gott der Herre
verwandlets Brot in Stein

Als die Reich tät erfahren
daß ward zu Stein ihr Brot
sie war in großen Gsahren
folgt ihr Schwester mit Not

Ach willt mir das vergeben
Schwester das bitt ich dich
ich will dir Gelds gnug geben
das glaub mir sicherlich

Drei Kinder will ich halten
Schwester sei guter Ding
bitt Gott sehr mannigfalten
daß ers vergeb gähling

Wollt dies Beispiel alleine
annehmen wolgemuth
daß eur Brot nit werd Steine
das habt mir hie für gut

Dies ist wohl die ursprüngliche Fassung des Liedes von der Unbarmherzigen Schwester bzw Lied vom steinernen Brot , ein christliches Lehrstück mit entsprechender Moral:. Betitelt mit: „Ein wunderlich und kläglich Geschicht in Holland von zweien Schwestern geschehen , Ins Pentzenawers Thon „

Liederthema: , ,
Liederzeit: vor 1569 : Zeitraum:
Schlagwort:
Orte: , ,
Geschichte dieses Liedes:

Zur Geschichte dieses Liedes:

Parodien, Versionen und Variationen:

Anmerkungen zu "Ach wer will hören singen – zwei Schwestern"

Zum Text:

  • 3.:  Nachbaur mhd.  nach-gebure (von nach ,nahe ) :  Nachbar —  Gebrech mhd.  gebreche , (gebrech)  Gebrechen,  Mangel —
  • 4.  zu Steure mhd.  ze stiure: zu Hülfe,  Stütze,  Beistand —
  • 8:  gähling mhd. gaechligen:  Plötzlich , jählings ( gaehe, gach, jäh (gäh) , eilig,  schnell von gaehen, gahen, eilen

"Ach wer will hören singen – zwei Schwestern" in diesen Liederbüchern

Zuerst in: “ Hundert Christenliche Hausjgesenge welche in andern Kirchen geseng nit begriffen sindt und von frommen Christen mögen gesungen werden…“  (Der Erste Teil 8 , Am Ende: Gedruckt zu Nürmberg durch Johann Koler 1569 , daselbst Nr. 5.  in Deutscher Liederhort (1856)